Month: August 2009

Workshop zu Ãœberwachung – freie Plätze

Im Rahmen der ESF-COST-Action “Living in Surveillance Societies” wird vom 7. bis 9. Oktober 2009 ein Workshop in Hamburg mit internationaler Beteiligung stattfinden. Thema: Surveillance, what? Notions of a concept from different perspectives.

Für diesen Workshop gibt es 10-15 Plätze für Nicht-Mitglieder der COST-Action. Es bietet sich hier die Gelegenheit mit europäischen Wissenschaftlern zusammenzutreffen und zum Thema Überwachung zu diskutieren. Es ist ein Workshop, die aktive Mitarbeit ist also erwünscht.

Kosten: Es können keine Kosten für Anreise oder Übernachtung übernommen werden. Daher richtet sich der Aufruf zu allererst an Studierende und Beschäftigte der Uni Hamburg.

Für die Teilnahme selbst wird ein Beitrag von 20 Euro (10 ermäßigt) erhoben.

Bewerbungen mit einer Kurzbiographie und einem Statement zur momentanen Tätigkeit (oder/und Arbeitsthema / interessen) bitte an:

nils.zurawski @ uni-hamburg.de

Tagung in Berlin: Ãœberwachung und Kontrolle

Möglichkeiten und Grenzen einer Begrifflichkeit, Praxen der Analyse
Konferenz

Zeit und Ort: Freitag, 18. September 2009, 14:00 Uhr bis Sonntag, 20. September 2009 in Berlin, Helle Panke, Kopenhagener Straße 9

Die Begriffe ‚Überwachung’ und ‚Kontrolle’ stehen hoch im Kurs, wenn es darum geht, unsere Gegenwart zu diagnostizieren. Die damit ins Spiel gebrachten Beschreibungen sind nie harmlos. Sie liefern Orientierungen für eine politische Praxis: Gegner und Probleme werden identifiziert, Zielvorgaben gemacht und Handlungen vorgeschlagen. Umso dringender ist die Frage danach, ob sie überhaupt zu einer kritischen Analyse taugen und dem, ‚was vor sich geht’, angemessen sind. Die Tagung diskutiert gängige Theorien und konkrete Szenarien der Überwachung und Kontrolle wie etwa die europäische Grenzsicherung, das Quartiersmanagement oder die Vergabepraxis von Sozialleistungen und sucht zugleich die verwendeten Modelle und Begriffe kritisch zu reflektieren.

Ãœberwachung studieren

Mal eine gute Nachricht: Unter Federführung des nimmermüden Gavin Smith bietet die Londonder City University ab Wintersemester 2009/10 den nach eigenen Angaben weltweit ersten MA in Surveillance Studies an. Für sehr kurzfristig entschlossene: Noch sind  ein paar Plätze frei.

The programme critically explores and analyses:
* The origins and growth of surveillance and its raison d’être
* The political economy of surveillance and its cultural context
* Surveillance sites, technologies and techniques
* Theories of surveillance
* Surveillance operation, experience and resistance
* Surevillance policy, regulation and ethics
* Surveillance futures

Vertrauen war mal gut…

… Kontrolle und Misstrauen ist wohl besser, so jedenfalls sieht es Henry Porter in seinem Guardian Blog. Ein paar groteske Beispiele aus dem fürsorglichen Bemutterungsstaat Großbritannien, über die wir hoffentlich nur lachen können und die hier nicht auch noch Realität werden.

Tales of a suspicious society

  • Store stops father buying alcohol (BBC News)
  • Woman, 28, told to prove age to buy pizza-cutter (Telegraph)
  • Mother of BBC star Nicky Campbell banned from taking photographs of her granddaughters (Daily Mail)
  • Parents to undergo checks before having exchange students to stay (This is Derbyshire)
  • Armed police raid innocent mum’s home and suggest brandy to calm her nerves (The Mirror)
  • Parrot that whistles The Sash almost lands owner with an ASBO (Daily Record)
  • Gazette staff stopped by police under Terrorism Act (Evening Gazette)

Radiotipp: Zur Debatte

Ein Tipp für Radiohörer: Am morgigen Sonntag , 16.8. um 19:05 Uhr läuft auf RadioBERLIN unter dem Format “Zur Debatte” ein Beitrag zu Videoüberwachung in Berlin: Wie weit darf Ãœberwachung gehen? Leider ohne Wortbeiträge aus Sicht der Surveillance Studies. Zwar hat Christoph Reinhardt, der Autor des Beitrages, sowohl Leon Hempel vom ZTG der TU Berlin als auch mich ausführlich interviewt, konnte unsere Statements aber am Ende nicht unterbringen, weil: Zeitproblem. Das Format ist nicht lang genug.

Jetzt die Preisfrage: (A) Wissenschaftliche Erkenntnisse lassen sich partout nicht in mediengerechte Soundbites verpacken und wir sollten uns klugerweise darauf beschränken, Journalisten Hintergrundinfos zu vermitteln. Oder (B): Akademiker sollten endlich  lernen, knapp, verständlich und prägnant zu formulieren, und mögliche Verzerrungen und Einseitigkeiten in Kauf nehmen. Anders gesagt, was ist wichtiger: Langwierige Didaktik oder strategische Rhetorik? Siehe mein Posting zum Buch von Zeh/Trojanow. Und siehe Leons Antwort auf meine Frage zur Rolle der Medien im TAZ-Interview “Transparenz wäre angemessener”.

Polemik mit dem Hammer: Angriff auf die Freiheit

Ein neues Buch zum Thema Überwachung drängt auf den Markt: Angriff auf die Freiheit. Verfasst haben es die Schriftsteller Juli Zeh und Ilija Trojanow, die gelernte Juristin Zeh hat dabei vor allem durch ihre Verfassungsklage gegen die Speicherung biometrischer Daten im Reisepass bereits Erfahrung in Sachen Bürgerrechte und ihre Gefährdung.

Spiegel Online rührt mit einem Interview und Auszügen aus dem Buch kräftig die Werbetrommel für die Neuerscheinung. Gelesen habe ich es noch nicht und kann daher nur auf die Rezension der Frankfurter Rundschau verweisen, nach der die Autoren ihrem Anliegen “durch Vereinfachungen, schiefe Bilder und überzogene Beispiele” einen schlechten Dienst erweisen.

Weshalb Kritiker der Ãœberwachung glauben, ihre Botschaft nur mit der Holzhammer-Methode durchsetzen zu können, bleibt schleierhaft. Schon Wolfgang Sofskys “Verteidigung des Privaten” war ja als “Streitschrift” betitelt und navigierte ohne eigentliche Sachkenntnis knapp über Stammtischhöhe. Es schadet meiner Ansicht nach der Sache mehr als es nützt, die selben paranoiden Szenarien wie Schäuble & Co. zu entwerfen, oder, um Zeh & Trojanow zu zitieren: “Unwissenheit öffnet das Feld für bodenlose Behauptungen, Wirklichkeitsverdrehungen, propagandistische Irreführungen.

Leipziger Kamera verabschiedet sich

Die “Leipziger Kamera. Initiative gegen Ãœberwachung” hat vorerst ihre Arbeit eingestellt. Sechs Jahre lang haben wir Kritik an der allgegenwärtigen Ausweitung von Ãœberwachungstechnologien und -pratiken geübt. Dabei haben wir unzählige Veranstaltungen organisiert, Vorträge gehalten, Interviews gegeben, Bündnisse unterstützt und Stadtführungen angeboten. Wir haben 2 Erich-Mielke-Gedächtnispreisverleihungen für „verdiente“ ÃœberwacherInnen inszeniert, die Videokameras aus Leipzigs Innenstadt kartographiert, unsere Stadtführungen vertont, Aktionen mit den Space Hijackers, den New York City Surveillance Camera Players und dem Seminar für angewandte Unsicherheit durchgeführt und in unserem Buch KONTROLLVERLUSTE „33 Bespickungen des verrotteten, in Private-Public-Partnership gegrillten Sicherheitsbratens“ (W.D. Narr) versammelt.

Damit ist das Ziel selbstverständlich nicht erreicht, doch können wir feststellen, dass das politische Spektrum der Ãœberwachungskritik in der Vergangenheit gewachsen ist. Nun ist es an der Zeit, dass andere das Projekt weiterführen, Ãœberwachungskritik und Datenschutz mit linker Gesellschaftskritik, kritischem Urbanismus und respektlosem Aktivismus zu verbinden. Wir werden als Einzelpersonen auch in Zukunft in verschiedenen – auch thematisch verwandten – Gebieten aktiv sein, und versuchen auch unser Buch “Kontrollverluste. Interventionen gegen Ãœberwachung” (Unrast-Verlag, Münster 2009, 18 EUR) zu begleiten und Buchvorstellungen zu organisieren.

Weitere Informationen und Probetexte zum Buch unter kontrollverluste.twoday.net