Month: August 2008

Datenschutz, Datenklau und schusselige Briten

In Deutschland werden Daten verkauft, zu Unrecht weitergegeben oder schlicht gestohlen. Die Briten verlieren sie einfach. Die BBC schreibt über den letzten Fall und gibt einen Überblick über die Fälle der vergangenen Monate.

Payback, einer der größten Datensammler hierzulande, hält solche Unfälle oder Vorkommnisse bei sich für ausgeschlossen.Wir wollen es hoffen, aber ich kann es nicht so richtig glauben – denn Daten sind äußerst flüchtig. Andererseits ist die Datensammlung von Payback als solche schon ganz schön beängstigend

IKEA goes Big Brother

Nils aus Hamburg(!) alleine zu Hause. Und wir dürfen alle zusehen. IKEA Deutschland hat für seine aktuelle Marketingkanpagne “Warte bis September” – dann nämlich wird der nächste Katalog ausgeliefert – Anleihen am bekannten RTL-Szenario genommen und eine Livewebcam in einer beinahe unmöblierten Wohnung installiert. Ein junger Mann vertreibt sich die Zeit, bügelt, ist am Telefon, hört Musik. Man hat zwei Kameraperspektiven zur Auswahl. Im Hintergrund zeigt eine Uhr die aktuelle Zeit an, ab und an läuft der Fernseher – damit man weiß, dass das, was man sieht, wirklich echt und live ist. Kommentare auch hier und hier. Das Ganze wirkt übrigens wie die Umkehrung der Idee des isrealischen Künstlers Guy Ben-Ner, der IKEA-Wohnwelten zur Gratis-Kulisse für eine Sitcom umfunktioniert hat.

Die Evolution des Internet

Es ist kein richtiger Eintrag zum Thema Ãœberwachung, aber das Internet ist ja eines der Instrumente – neben vielem anderen, das es auch ist – über das Ãœberwachung stattfindet, welches überwacht wird und welches als ein wichtiger Teil der suveillant assemblage gehört. Darum hier ein Verweis auf eine Seite, die sich mit der Geschichte des Internets beschäftigt: “NSF and the Birth of the Internet” – mit Filmen, Animationen und einem schönen Ãœberblick über die Entwicklungsgeschichte des Mediums, das unsere Welt nachhaltig verändert hat.

In diesem Zusammenhang ist auch ein Artikel von Vinton Cerf interessant, der über die letzte Dekade des Internet schreibt. Cerf ist einer der “Väter” des Internet und seit 2005 für Google aktiv. Das Internet und Ãœberwachung – mit Google schließt sich auch dieser Kreis, steht das Unternehmen und seine vielfachen Anwendungen doch auch in der Kritik, zuviel Informationen in einer Hand zu sammeln, zuletzt mit seiner durchaus fragwürdigen Anwendung Google Health.

Hut ab vor den Kameras!

Die Nachricht ist zwar bereits knapp einen Monat alt, aber immer noch erzählenswert: Wie der Telegraph berichtet, ist das Tragen von Schiebermützen oder flat caps in den Pubs von Yorkshire, eine lokale Tradition unter Männern jenseits der Fünfzig, polizeilich untersagt. Wiederholt sei es zu Vorfällen gekommen, bei denen ein Täter wegen der Kopfbedeckung von den Kameras nicht identifiziert werden konnte, so die Begründung.

Hörspiel: Überwachen und Mahnen

Das wirklich gelungene Hörspiel der Gruppe Serotonin zum Thema Überwachen wird im Herbst noch zweimal gesendet. Wer es also bei der Premiere verpasst haben soll, kann es hier noch einmal hören.

Ãœberwachen und Mahnen – das ist die Strategie der Zukunft. Das Autorenduo Serotonin hat dieses eindrucksvolle Modell dokumentiert, auf seine Wirksamkeit überprüft und optimiert. In einem akustischen Feldversuch wurde die große Korrekturoffensive gestartet: Probanden haben Fehlverhalten gesucht, analysiert und öffentlich korrigiert. In einem fairen Wettbewerb der Ãœberwachungssysteme wurde die effizienteste und nachhaltigste Methode ermittelt. Denn: Ãœberwachung ist gut, Kontrolle ist besser. “Ãœberwachen und Mahnen” wurde mit einem Stipendium der Filmstiftung Nordrhein-Westfalen gefördert.

Deutschlandfunk, 16. September, 20.10 Uhr:  Überwachen und Mahnen

NDR Info, 19. Oktober, 21.05 Uhr: Ãœberwachen und Mahnen

Verdaten. Klassifizieren. Archivieren

An der Wiener Univeristät findet vom 8. bis 10. August eine Tagung statt, die sich mit den kulturwissenschaftlichen Aspekten der Identifizierung und somit auch der Ãœberwachung befasst – darunter auch der Beitrag von Julia Fleischhack

“Meine Daten gehören mir”. Kulturwissenschaftliche Perspektiven auf “Maschinelle Lesbarkeit” und “Personenidentifizierung” als Gegenstand gesellschaftlicher Auseinandersetzung in den 1970er und 1980er Jahren,

(danke an Klaus vom Forschungskolleg Kulturwissenschaftliche Technikforschung für den Tipp)

Sozialkontrolle per Internet

Nun muss ich nicht mal mehr aufstehen um mich über meinen neuen Nachbarn oder die Kindergärtnerin meiner Tochter zu informieren – ich muss sie aber auch nicht fragen, noch kennenlernen, will ich ihre dunklen Geheimnisse erfahren- Criminal Searches hilft dabei, zuminedest in den USA. Sicher ist Kontrolle manchmal besser, bevor etwas passiert ist, aber diese Webseite scheint mir etwas über die Strenge zu schlagen. Alles Vertrauen wird über Bord geworfen, jeder ersteinmal verdächtigt, es wird in Vergangenheiten gewühlt, die vielleicht nichts mit der Person zu tun haben, Verwechelungen können vorkommen – und sicher auch mal ein Volltreffer, der jemanden schützt.

Die Frage nach dem Datenschutz, der letztlich für alle fast immer in gleicher Weise gelten sollte, stellen sich hier zuhauf. Der Wert von Vertrauen wird hiermit fast vollständig abgeschafft, fast hysterische Risikominimierung ist Trumpf. Und noch rümpfen wir die Nase, aber der Wunsch nach so etwas existiert auch hierzulande, weil – und das weiß man doch – die meisten Menschen etwas zu verbergen haben. Und genau das will ich wissen. Auch Nichtwissen kann manchmal das Leben erträglicher machen und eine pPäventivwirkung entfalten, die soziales Leben überhaupt erst möglich macht (siehe auch Heinrich Popitz “Ãœber die Präventivwirkung des Nichtwissens”, in Soziale Normen, FfM, 2006)

Blown to Bits: Your Life, Liberty, and Happiness After the Digital Explosion

Ein spannender Buchtipp: Blown to Bits von Hal Abelson, Ken Ledeen und Harry Lewis. Man braucht eine ganze Weile, um sich allein durch die Vorschußlorbeeren zu arbeiten, deshalb hier nur zwei Empfehlungen, die deutlich machen, worum es in dem Buch geht…

“Can you control who sees all that personal information about you? Can email be truly confidential, when nothing seems to be private? Shouldn’t the Internet be censored the way radio and TV are? Is it really a federal crime to download music? When you use Google or Yahoo! to search for something, how do they decide which sites to show you? Do you still have free speech in the digital world? Do you have a voice in shaping government or corporate policies about any of this?”

…und wie es Experten bewerten:

“There is no simpler or clearer statement of the radical change that digital technologies will bring, nor any book that better prepares one for thinking about the next steps.”

Lawrence Lessig, Stanford Law School and Author of Code and Other Laws of Cyberspace

Quelle: Amazon

Fazit: sehr empfehlenswert.