Month: April 2007

Gewahrsam: Bilder der Ausstellung

Die Ausstellung “Gewahrsam. Räume der Ãœberwachung” in Frankfurt ist sehenswert. Allein schon deshalb, weil der Ausstellungsort gleichzeitig das Artefakt selbst ist. Hier ein paar Bilder für diejenigen, die nicht nach Frankfurt kommen oder sich den lesenswerten Katalog nicht kaufen wollen…. Nun ist das nicht nur ein altes Haus und Gewahrsam der Polizei in Frankfurt – zuletzt renoviert 1957, sondern nach Auskunft der Ausstellungsmacher auch noch bis vor wenigen Jahren als Abschiebeknast genutzt worden – ein wahrer Un-Ort, wie der Direktor des Deutschen Architekturmuseums in seiner kurzen Rede meinte…

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(Alle Photos: (c) Nils Zurawski)

Warum so wenig Widerstand?

Das Fragen sich dieser Tage viele mkit denen ich sprach – Journalisten, Aktivisten, Wissenschaftler, interessierte und beunruhigte Bürger. Jochen Bittner versucht eine Antwort in der Zeit.

Seien wir ehrlich. Es fürchtet sich niemand mehr vorm gläsernen Bürger – weil jeder glaubt (und sei es zu Unrecht, siehe oben), dass er ohnehin durchleuchtbar ist. Die Vorstellung vom Staat, der nur das vom Bürger weiß, was dieser freiwillig preisgibt, ist so passé wie ein Ostermarsch. Damit ist der Schaden, den der Datenschutz verhindern wollte, angerichtet. Wer sich überwacht fühlt, wird scheu und konform, traut sich nicht mehr aufzumucken. Und gegen Gefühle ist selbst Herr Schaar machtlos.

Ja es ist ein Glosse. Aber hat er Recht. Ist es das oder was ist es. Antworten, die mit dem üblichen “früher waren wir noch nicht so verwöhnt, träge”, oder “politisch interessierter” usw. lasse ich nicht so einfach gelten. Es muss andere Antworten für das Verhalten der Bürger geben, die nicht auf einem Fatalismus beruhen. Mit dem sich auch heute kein guter Widerstand initiieren ließe….. Mehr Infos zur Ãœberwachung gibt es dann auch in einem Zeit-Schwerpunkt und Aktuelles bei tagesschau.de.

Neuerscheinung: Surveillance Studies

Nun ist es soweit. Das Buch zur Erkundung des Feldes der Surveillance Studies ist erschienen:

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Nils Zurawski (Hg.): Surveillance Studies. Perspektiven eines Forschungsfeldes. Opladen 2007, Verlag Barbara Budrich.

Inhalt:

  • Christiane Schulzki Haddouti, Blick in die Zukunft der Ãœberwachung
  • Eric Töpfer, Zwischen Risikomanagement und Risiko. Diskurse der Videoüberwachung”
  • Peer Stolle / Tobias Singelnstein, Eine Rationalität der Sicherheit. Zu gesellschaftlichen Bedingungen sozialer Kontrolle und ihres Wandels
  • Manfred Rolfes, Konstruktion und Konstrukteure sicherer und unsicherer Räume. Beiträge aus der Sicht der Humangeographie
  • Leon Hempel, Zu Evaluation von Ãœberwachungsmaßnahmen.
  • Nils Zurawski, Wissen und Weltbilder. Konstuktionen der Wirklichkeit, cognitive mapping und Ãœberwachung. Was Kartierungen uns über Ãœberwachung und Sicherheit sagen
  • Gisbert van Elsbergen, Ãœberwachung und Kriminalprävention – Ansätze der Kriminologie
  • Gerrit Hornung, Möglichkeiten und Grenzen der rechtlichen Bewertung neuer Ãœberwachungstechnologien
  • Martin Henatsch, Zur Ambivalenz von Sicherheit und Kontrolle in der Bildenden Kunst

Big Blimp is watching you

In Caracas schwebt neuerdings ein Ãœberwachungs-Zeppelin über der Stadt. Unbemannt, polizeiferngelenkt und mit diverser Ausspäh-Technik versehen, soll es – außerhalb der Reichweite von Verbrecherkugeln, wie betont wird – die Ordnungskräfte bei ihrem Kampf gegen Straßenkriminalität unterstützen. Auch am New Yorker Himmel wurden solche Flug-Späh-Geräte schon gesehen, ebenso beim Athener Ãœberwachungs-Großexperiment “Olympiade 2004”. Zwei weitere heliumgetriebene Fluggeräte hat Caracas beim koreanischen Hersteller HanGIS bereits geordert. Und wenn sich die Kriminellen dann wundersamerweise immer noch auf die Straßen trauen: Da oben ist noch jede Menge Platz! Kein Problem, hundert silbrige Luftschiffe kreisen zu lassen. Finanziert werden könnte das Projekt, indem man die Zeppeline in bewährter Weise als Werbeflächen einsetzt. Welcome to Blade Runner.

Streit um Videoüberwachung in Hamburg

In Hamburg gibt es nach wie vor Streit um die Fortführung und Ausweitung der Videoüberwachung. Dabei sind die Positionen fest verteilt. Der Senat mit Udo Nagel und den CDU-Politikern halten es für einen vollen Erfolg, die Grünen und der Datenschutzbeauftragte sind dagegen, werfen dem Senat Ungenauigkeit und Versagen vor und sorgen sich um die Freiheitsrechte der Bürger. Die SPD will die innere Sicherheit als Kompetenzfeld nicht verlieren und ist mit einem beherztem “ja, aber” dabei. Sie hat insgesamt die schwächsten Argumente und spielt in der Diskussion eigentliche keine entscheidende Rolle.

Bei Hamburg 1 sagt Nagel, dass die Mehrheit für Videoüberwachung sei. Dabei vergisst er zu erwähnen an welche Bedingungen diese Aussagen durch die Bürger geknüpft sind (siehe –> Studie zu Videoüberwachung in Hamburg). Bei solchen Aussagen geht es mir manchmal gehörig auf die Nerven, wie und welche Argumente immer wieder verbreitet werden, zumal der Senat den empirischen Beweis nach wie vor schuldig bleibt und das wohl auch in Zukunft will. Gegen den politischen Willen ist nun einmal nichts zu machen. Selbst einer offenen Diskussion stellt er sich nicht – die oppositionellen Politiker können leider auch nicht aus ihrer politischen Haut und so wird die Ausweitung kommen – und die schwachen und leicht zu entkräftenden Argumente weiterhin und immer wieder von jedem vorgebracht.

Allein Nagels Einwand, es gäbe mehr private Kameras ist ein Fortschritt – aber niemand hat gesagt, dass diese gut und richtig sind. Die rechtliche Lage ist hier allerdings noch viel ungeklärter. Allerdings kann die Masse der privaten Kameras keine Argument für die Einführung öffentlicher Kameras sein.

RFID in Pulverform

Schon ein paar Tage alt aber bemerkenswert im Hinblick auf die Ausweitung der Möglichkeiten von Überwachung: Hitachi entwickelt RFID-Chips kleiner als ein Staubkorn. Bisher ist allerdings noch völlig unklar, zu welchem Zweck so etwas gebraucht werden könnte. Aber es wurde trotzdem schon mal entwickelt.
Zur Befürchtung, dass damit eine technische Möglichkeit einer nahezu unmerklichen Ãœberwachung geschafffen wurde, antwortet der Firmenvertreter lapidar: “We are not imagining such uses.” Na dann ist ja gut.

Google kauft DoubleClick

Nachdem schon einige Wochen über die Übernahme von DoubleClick durch Microsoft oder Google spekuliert wurde, gab Google gestern bekannt, dass die Werbefirma für 3,1 Milliarden Dollar übernommen wird. DoubleClick vermittelt seit den Anfängen des Internets Bannerwerbung und verfolgt über spezielle Cookies die Clickstreams der Nutzer auch über unterschiedliche Webseiten hinweg. 2000 geriet die Firma in die Kritik, weil sie durch die Übernahme der Direktmarketing-Firma Abacus Internetnutzer namentlich identifizieren und individuelle Profile erstellen konnte. Seitdem gibt sich DoubleClick datenschutzbewusst und verzichtet angeblich auf das Tracking personenbezogener Daten. Trotzdem hat Google mit DoubleClick eine der größten verfügbaren Sammlungen von Clickstreams erworben und verfügt nun in Kombination mit den eigenen Daten über ein detailliertes Bild der Internetnutzung als je zuvor.

Stasi 2.0 – oder warum die Ideen so toll klingen und doch so schlecht sind.

Heute wurde im Bundestag das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung beschlossen. Ein weiterer Baustein der Kontrolle und Ãœberwachung im Zuge der Kriminalitäts- und Terrorbekämpfung. Dass Frau Zypries dabei meint, sie würde die Bürgerrechte ausbauen ist fast ein Hohn, aber logisch in ihrer Argumentation. Was für diese bisher neueste Maßnahme gilt, galt auch schon für alle anderen Ideen: Sie klingen toll und die Politiker meinen es in der Regel auch ehrlich, wenn sie sagen, “wir passen auf, dass nichts Unrechtmäßiges damit passiert”. Leider beweisen sie damit nur ihre Naivität und Inkompetenz, indem sie den vielen menschlich-technischen Systemen genau eine Bestimmung zuordnen und nur eine Verwendungsmöglichkeit (dazu auch ein schönes Gespräch zwischen dem Hamburger Senator Udo Nagel und dem Hamburgischen Datenschützer Hartmut Lubomierski im Abendblatt).

Dazu aber ist die Technologie zu komplex, menschliches Handeln zu irrational und die Begehrlichkeiten groß, als das es keine Funktionswanderungen, Missbräuche und Allmachtsphantasien gäbe, die nicht dazu führen würden, das zum einen Fehler sich einschleichen und zum anderen die Nutzung einfach ausgeweitet wird. Und Datenfehler treten auch jetzt schon zig-fach auf – überall dort, wo sie verarbeitet werden. Wenn daran allerdings die Klassifizierung als Terrorist hängt, dann ist es eben bedenklich und daher zu erst einmal kritisch zu sehen. Wozu Allmachtsphantasien führen, zeigt uns Innenminister Schäuble Woche um Woche, wenn er die nächste Sau durchs Dorf jagt – immer mehr, immer neu und immer umfassender soll sie werden, seine Kontrollgesellschaft, gebaut auf einer diffusen Angst, deren tatsächliche Grundlage bald nicht mehr von der von ihm konstruierten Wirklichkeit zu unterscheiden ist.

Die Annahme, das technische Systeme, die durch menschliches Handeln auch noch beeinflussbar sind und die politische Instrumente darstellen, neutral einsetzbar sind, ist unhaltbar und bestenfalls naiv. Da Politiker aber etwas politisch wollen und nicht wissenschaftlich begründet an die Sachen rangehen, wird es auch in Zukunft schief gehen. “Er will doch nur spielen” (ohne die Hundebesitzer pauschal abzuwatschen!!) trifft das wohl am besten – Was aber passiert, wenn ein System aus Technologie, Recht und menschlichem Handeln erstmal in Kraft ist, kann niemand sagen. Daher ist den Anfängen zu wehren und den Politikern auf die Finger zu klopfen bevor es tatsächlich irreversibel wird.