Preisverleihung 2014/15

Die Preisverleihung der Preise 2014/15 war ein echter Erfolg und eine sehr schöne Veranstaltung. Hier sind noch mal ein paar Fotos von dem Abend mit dem Preisträgern.

Einen Kommentar zu dem Abend gab es bereits im Blog von Marcus Kompa, bei Telepolis ist die Veranstaltung ebenfalls dokumentiert.

Der Festvortrag von Prof. Dr. Stefan Selke ist bei Telepolis erscheinen.

Hier noch ein paar Worte zu den Gewinnern des Wissenschaftspreises:

Die beiden Nachwuchswissenschaftler Dara Hallinan und Philip Schütz, die maßgeblich für den Artikel verantwortlich sind haben den Preis bekommen, weil sie, so die Meinung der Jury einen äußerst innovativen und Gedanken-anregenden Aufsatz geschrieben haben, der über die gängigen Sichtweisen zu Datenschutz hinausgeht. Der von ihnen verwendete Ansatz nutzt Zugänge aus Medizin, Neurologie, Sozial- und Rechtswissenschaften. um sich mit den Konsequenzen technischer Innovationen, in diesem Fall der bildgebenden Hirnforschung, auseinanderzusetzen. In dieser Weise wurde dieses Thema und die dahinter stehende Problematik bisher nicht angegangen. Die Autoren haben mit dieser Forschung grundlegende Gedanken von großer Originalität vorgelegt, die auch für die weitere Forschung im Bereich der Surveillance Studies von Interesse sein werden.
Die Jury freut sich den Preis an Dara Hallinan und Philip Schütz zu vergeben.

Christiane Schulzki-Haddouti konnte leider nicht zur Preisverleihung kommen, sagt aber auf ihrem Blog etwas zu dem prämierten Beitrag.

Die Preisverleihung 2015 hat gezeigt, dass sowohl in der Wissenschaft als auch im Journalismus die Themen, die mit Überwachung und Kontrolle zu tun haben, höchst relevant sind. Junge Wissenschaftler beschäftigen sich mit einer Reihe interessanter Themen, die jenseits der Frage eines Datenschutzes oder anderer offensichtlicher Fragen liegen. Die auch in diesem Jahr gestiegene Anzahl von Einsendungen hochklassiger Beiträge in beiden Wettbewerben, zeigt, dass der Preis auf eine große Resonanz trifft und auch in Zukunft weitergeführt wird.

2016 wird wieder ein Preis für Journalisten ausgelobt. Der Preis für Nachwuchswissenschaftler wird das nächste Mal 2017 vergeben. Die Ausschreibungen können in Kürze auf diesen Seiten zu finden sein.

Den Preis für eine journalistische Arbeit gab es für den Film „Land unter Kontrolle – eine Überwachungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland“ (3sat)

Die Laudatio auf die Filmemacher Katja und Clemens Riha hat Prof. Dr. Volker Lilienthal vom Institut für Journalistik der Uni Hamburg gehalten. Die Rede ist hier dokumentiert:

Liebe Preisträger, liebes Ehepaar Riha,

meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen,

eine Woche geht zu Ende, in der wir es gerade wieder erlebt haben: 70. Jahrestag der Befreiung Überlebender aus dem KZ Auschwitz – und die Medien sind voll der Erinnerung daran. Notwendige Erinnerung, aber eben auch eine, die von den Medien häufig nur anlassbezogen aufgerufen wird. Die Gedenktage zu 9/11 sind ein anderes Beispiel: Alljährlich, mindestens aber alle fünf Jahre steht der dreifache Terroranschlag auf die USA im Jahre 2011 wieder auf der telegenen Tagesordnung. Eine mediale Pflichtübung im Durchschnitt der Ergebnisse, manchmal aber auch mehr und dann mit immer noch überraschenden journalistischen Hervorbringungen.

Diese Rituale von medial inszenierten Gedenktagen kann man aber auch kritisch sehen. Der verstorbene Publizistikwissenschaftler Harry Pross sprach vom „terminfixierten Erinnern“. Erinnern ist notwendig. Dass man aus der Vergangenheit lernen kann, erfahren wir schon in der Schule. Und es stimmt ja: „Vergessen ist gefährlich“ –so das Motto des ARD-Programmschwerpunkts „Auschwitz und ich“. Aber man darf sich schon fragen, in Anlehnung an Harry Pross: Warum immer nur dann erinnern, wenn es kalendarisch mal wieder ansteht?

Einen ganz anderen journalistischen Gebrauch von Geschichte haben unsere heutigen Preisträger, Katja und Clemens Riha, gemacht. Ihr Ausgangspunkt war das, was ich mit einem Buchtitel von Marcel Rosenbach und Holger Stark den „NSA-Komplex“ nennen möchte: ein globales Enthüllungs- und Ent-Täuschungs-Phänomen, das Regierungen vieler Staaten, deren Politik und Zivilgesellschaft und ganz zuvörderst die Medien schon seit Juni 2013 in Atem hält. Ende nicht absehbar. Snowdens Geheimdaten bilden zwar frühere, also vergangene Taten von US-Geheimdiensten ab. Aber durch den Akt der jetztzeitigen Enthüllung durch Journalisten und Medien wird all das plötzlich wieder sehr aktuell, wird re-aktualisiert und löst allgemeines Erstaunen und Empörung über die Totalität der Surveillance aus.

Wären sie in der Nachrichtenaktualität tätig, hätten Katja und Clemens Riha dies alles Stück für Stück berichten können, hätten in medienüblicher Kurzatmigkeit zu einem Puzzle beigetragen, dass sich nicht unbedingt zu einem großen Ganzen fügt. Sind sie aber nicht, haben sie aber nicht. Als Dokumentarfilmer haben sie sich erlaubt, einen Schritt zurückzutreten und sich zu fragen: Ist denn das von Snowden enthüllte Verhalten der NSA wirklich so neu und so einzigartig?

Sie haben also in die Geschichte der Bundesrepublik zurückgeschaut, haben Archive genutzt, Zeitzeugen und Experten interviewt. Dieser produktive Gebrauch von Geschichte ist natürlich etwas ganz anderes als das eingangs angesprochene „terminfixierte Erinnern“.

Und siehe da: Auch beim Blick zurück tut sich Erstaunliches auf – die Entdeckung nämlich, dass die Überwachung der Deutschen durch ihre eigenen Geheimdienste, aber eben vor allem die der Amerikaner seit Kriegsende und über 1955 hinaus beständige Praxis war, trotz angeblicher Souveränität unseres Landes, und somit eine beklagenswerte Kontinuität aufweist. Bis 1968 sollen 300 Millionen Briefe unter Verletzung des vom Grundgesetz verbürgten Postgeheimnisses geöffnet worden sein. Selbst ein Politiker wie Willy Brandt leugnete im Bundestag, dass es Kontrollvorrechte der Alliierten gab. Es kam die Rasterfahndung gegen die RAF – die im entscheidenden Moment, als der ultimative Hinweis zur Auffindung und Rettung von Hanns Martin Schleyer quasi auf dem Polizeitisch lag, dann doch versagte.

Das sind nur einige der inhaltlichen Merkpunkte, mit denen die von 3sat ausgestrahlte TV-Dokumentation von Katja und Clemens Riha besticht – und damit uns als kritische Öffentlichkeit darüber aufklärt, dass auch Snowdens NSA ihre so langlebigen wie hartnäckigen Vorgänger hatte. Das ist die politische Lektion, die dieser Film bereithält – eine Lektion, die uns aber nicht dazu verleiten darf, Snowdens Kritik für weniger gewichtig und drängend, weil altbekannt zu halten.

Es ist also nicht die Stunde für historisierendes Achselzucken, sondern für politische Aufmerksamkeit. Die 3sat-Produktion „Land unter Kontrolle – eine Überwachungsgeschichte der Bundesrepublik Deutschland“ ist der Auszeichnung durch das Forschungsnetzwerk Surveillance Studies würdig, weil sie einen analytischen, geschichtsbewussten Blick auf die Vorgeschichten dessen wirft, was wir heute den NSA-Komplex nennen.

Zeitzeugen wie Claus Arndt, Klaus Traube und Hans-Christian Ströbele, vor allem aber der Freiburger Historiker Josef Foschepoth als Experte haben unseren beiden Filmautoren bei dieser wichtigen Arbeit geholfen. Deren Aussagen, Erfahrungen, Einstufungen und Wertungen hätte man auch drucken können, in Form eines Zeitungs- und Magazinberichts. Hier aber haben wir es mit einem Fernsehfilm zu tun – und auch auf dieser optischen Ebene besticht der die preiswürdige Leistung. Die Ruine der alten US-Abhörstation auf dem Teufelsberg in Berlin ist eine bizarre, bildstarke Szenerie, mit der der Film beginnt. Historische Filmaufnahmen leisten das ihrige – aber: die müssen in den Archiven erst mal gefunden werden, auch das eine Autorenleistung von unschätzbarem Wert. Zeitzeugen wie Arndt und Traube nicht nur zu hören, sondern auch zu sehen, gibt dem Zuschauer die nicht ganz nebensächliche Möglichkeit, sich selbst einen Eindruck von der Glaubwürdigkeit dieser Menschen zu verschaffen.

„Land unter Kontrolle“ ist ein Film der Differenzierungen und ohne voreilige Schuldzuweisungen – z.B. dort, wo klar gemacht wird, dass die zunehmende Überwachung auch eine – nicht ganz unverständliche – staatliche Reaktion auf 9/11 ist. Ein Film der leisen Töne also, in seiner Bildsprache von dezenter Eleganz – und doch wartet selbst dieses vernünftige Werk am Ende mit seinem eigenen kleinen Showdown auf. Das ist die Schlussszene, als das Filmteam von der US Military Police von Wiesbaden aus bis auf die Autobahn verfolgt wird. Für solche Aufnahmen mit ein bisschen Dramatik kann man den bösen Diensten ja auch mal dankbar sein. J Doch ist dieses Finale mehr als bloße Effekthascherei, zeigt es doch in nuce, dass nicht nur Terroristen, sondern auch einfache Bürger, die nichts als Aufklärung wollen, aus der Sicht quasi paranoider Dienste beständig unter Verdacht stehen.

Unsere Preisträger nannte ich vorhin Dokumentarfilmer. Das ist eine Klassifizierung, die sich durch das nachvollziehbare Werk der Rihas durchaus begründen lässt. Die Wahrheit ist aber, dass das Netz, dieses totalitäre Überwachungsmedium, über die Personen Katja und Clemens Riha herzlich wenig preisgibt. Selbst ihre eigene Website, die ihrer Berliner TV-Produktionsfirma candoberlin, ist sehr verschwiegen, ja scheu, gemessen daran, dass es um Fernsehleute geht. Klickt man da auf „Team“, kommen acht Namen, die Vornamen jeweils abgekürzt, chiffriert also – und bloß kein Bild!

Nun ja. Gut, dass wir die beiden heute Abend kennenlernen dürfen. Und vielleicht erzählen sie sogar was von sich selbst. Übrigens, diese persönliche Bemerkung ist mir zum Schluss erlaubt: Vor Jahren durfte ich beim Otto-Brenner-Preis für kritischen Journalismus mit dafür sorgen, dass ein Geschwisterpaar, Anita und Marian Blasberg, ausgezeichnet wurde. Dass wir hier heute ein Ehepaar auszeichnen, ist doch eine schöne Innovation und zeigt, dass man in dieser Lebensform sich nicht nur lieben und Kinder großziehen, sondern auch gut zusammen arbeiten kann. Übrigens zum Nutzen der Allgemeinheit.

Herzlichen Glückwunsch, Katja und Clemens Riha!

Volker Lilienthal, Hamburg

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