Anonymität im Forschungsprozess

Anonymität ist ein Seitenaspekt der Überwachung. Im Forschungsprozess ist es ein wichtiger Aspekt, insbesondere angesichts der Möglichkeiten mit digitalen Mitteln, dem Internet und anderen Hilfsmitteln Menschen möglicherweise zu de-anonymisieren. Forscher:innen beschäftigen sich vereinzelt mit diesem Aspekt, vor allem in der Qualitativen Forschung, aber es gibt eigentlich noch wenig dazu.

Daher hier ein Artikel aus dem Forschung Qualitative Sozialforschung, Vol. 24 No. 3 (2023) mit dem Titel: Foundations, Strategies, and Techniques of Anonymizing Transcripts in Qualitative Research: A Practice-Oriented Introduction

Werner, C., Meyer, F., & Bischof, S. (2023). Foundations, Strategies, and Techniques of Anonymizing Transcripts in Qualitative Research: A Practice-Oriented Introduction. Forum Qualitative Sozialforschung Forum: Qualitative Social Research24(3). https://doi.org/10.17169/fqs-24.3.4067

Urbane Utopien, private Städte

Die Artikel des sehr geschätzten Kollegen Adrian Lobe, heute zumeist in der taz, sind immer wieder lesenswert und für diesen Blog fast immer auch eine Erwähnung wert. Ist ja auch kein Zufall, dass er vor ein paar Jahren den Journalistenpreis hier gewonnen hat.

Der letzte Artikel von ihm mit dem Titel “Die Superreichen proben den Auszug” regt im Zusammenhang mit Überwachung, Überwachungs/Digital-Kapitalismus sowie den Goldgräbern des digitalen Zeitalters (oder könnte man sie auch “Digital Robber Barons nennen?) zum Nachdenken an. In Überwachen und Konsumieren habe ich zur Idee einer Stadt und ihren Möglichkeiten der totalen Kontrolle des Alltags dazu ein paar Bemerkungen gemacht. Man könnte und sollte das auf jeden Fall weiterdenken und vor allem raum- und stadtsoziologisch näher betrachten.

Krypto und die NSA

Der Sprektrum-Podcast von Detektor.fm befasst sich hier mal mit Kryptografie und dem, was unter dem Namen der Kryptokriege bekannt geworden ist. Wer es noch nicht kennt (hier wohl eher viele, aber dennoch): Der Algorithmus, der die NSA in den Wahnsinn trieb.

Die Frage ob Kryptografie ein Grundrecht sein könnte, ähnlich oder viel drastischer als das Briefgeheimnis, ist eine wirklich interessante Frage, der man aus verfassungsrechtlicher Sicht nachgehen müsste, weniger aus soziologischer. Wobei hier die Frage der sozialen Bedeutung von Geheimnissen und ihrer Funktion in Gesellschaften nicht unwichtig sein könnte.

Eine revolutionäre Idee der Verschlüsselung und ein besorgter Geheimdienst: In den 1970er-Jahren entwickelten Mathematiker eine neue Form der Kryptografie. Wer sicher kommunizieren wollte, veröffentlichte seine Schlüssel. Es war der Beginn eines regelrechten Krypto-Kriegs.

Polizei, Beschwerden, Whistleblowing

Die Polizei war schon immer ein Thema hier im Blog – meistens als Teil von Überwachungsmaßnahmen wie z.B. Videoüberwachung. Das sie auch selbst Objekt der Überwachung sein kann, ist nicht neu, aber als Thema seit ein paar Jahren sehr im Fokus. Darum auch hier. Es geht um die Kontrolle polizeilicher Arbeit durch Beschwerdestellen oder Polizeibeauftrage. Das ist ein weites Feld und so eininges wurde schon darüber geschrieben an verschiedenen Stellen. Nun aus aktuellem Anlass mal wieder hier.

Die Überwacher überwachen

Die Plattform Frag-den-Staat hat in eigenem Interesse eines ihrer Redakteure mal bei der Polizei nachgefragt, welche Suchanfragen über ihn (Arne Semsrott) bei denen so getätigt worden sind. Da die Polizei das rausrücken muss, weiß er nun, welche Infos über ihn abgefragt wurden.

Über Polizei-Datenbanken haben Beamt*innen umfangreichen Zugriff auf Daten der Bevölkerung. Aber die Protokolle der Zugriffe muss die Polizei herausgeben.

Die Recherche zur Informationsfreiheit ist hoch spannend und hat durchaus einen praktischen Nutzen für andere. Für die Polizei Hamburg z.B. kann man die folgende Seite benutzen, auch bei Frag-den-Staat und schon gut vorbereitet für eine Anfrage.

Die Zukunft von gestern, heute

Die Hörspiel-Reihe “Das war Morgen” in der ARD Audiothek ist hörenswert, weil sie anhand von verganenen Zukunftsvorstellungen einen Blick auf gestern und morgen wirft – verwirrend? Einfach Reinhören.

Klicken Sie auf den unteren Button, um den Inhalt von www.ardaudiothek.de zu laden.

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Das war Morgen” präsentiert Science-Fiction-Hörspiele aus den 1960er bis 1990er Jahren der SDR-Reihen ‚Science-Fiction als Radiospiel‘ und ‚Phantastik aus Studio 13‘.

Simulation und Überwachung

Bei Deutschlandfunk Kultur gibt es einen sehr interessantes und tolles Feature zum Thema Digitalisierung in der Stadtplanung unter dem Titel: Sim City: Wenn ganze Metropolen im Computer leben. Die Kurzbeschreibung lautet dazu wie folgt: “Rathäuser sammeln Daten über ihre Städte und erstellen daraus „digitale Zwillinge“. Das könnte die Stadtplanung revolutionieren.”

Was hat das mit Überwachung zu tun? Erstmal nichts, dann aber viel.

Forschung und Artikel zu Chilling Effects

Der von mir sehr geschätzte Pete Fussey hat gemeinsam mit weiteren Kollegen zwei Aufsätze aus einem Forschungsprojekt zu Überwachung in Uganda und Zimbawe veröffentlicht. Es geht darin um den so genannten und auch hier schon mal thematisierten Chilling Effect.

  • Daragh Murray and others: The Chilling Effects of Surveillance and Human Rights: Insights from Qualitative Research in Uganda and Zimbabwe, in Journal of Human Rights Practice, huad020, https://doi.org/10.1093/jhuman/huad020
  • Stevens, A., Fussey, P., Murray, D., Hove, K., & Saki, O. (2023) ‘I started seeing shadows everywhere’: The diverse chilling effects of surveillance in Zimbabwe, in Big Data & Society10(1). https://doi.org/10.1177/20539517231158631

Das mit dem Chilling Effect, wie er vor alle nach Snowden immer wieder mal vorgebracht wurde, wurde auch von mir schon kritisch betrachtet – in den Aufsätzen wird aber auch hervorgehoben, dass diese Art der Selbstzensur eng verbunden ist mit den realen Konsequenzen in diesen Ländern, wo Kritiker eingesperrt werden, verschwinden oder sich anderen Repressalien ausgesetzt sehen. Das ist dann schon ein Unterschied zu den in westlichen Ländern vermuteten Auswirkungen auf die Selbstzensur, z.B. von Journalist:innen oder Wissenschaftler:innen.. Aber mehr Forschung ist ja immer gut und von daher freue ich mich über neue Beiträge zu der Debatte. Lesenswert!

Die Verdachtsmachine

Die bekannten Vorwürfe gegen Algorithmen und KI, dass sie aufgrund ihrer Trainingsdaten die Einstellungen und Kategorisierungen vornehmen würden (und so rassistisch oder anders diskriminierend sein können, vgl. “Can a machine be racist?” The Conversation 6.3.2023), die auch die sie umgebende Gesellschaft hat und lebt, werden in den Artikeln und Berichten zu dem Thema immer wieder erzählt. Das ist, wenn man sich viel damit beschäftigt, etwas langweilig, aber nie unbedeutend.

Wired hat eine sehr schönen Zugang dazu gefunden, neben einer ästhetisch charmanten Webseite. Der Bericht Inside the Suspicion Machine betrachtet die Kategorisierungen unter dem Aspekt des Verdachts – einem Aspekt sozialem Phänomen, das viel zu wenig thematisiert wird. Wir sprechen immer von den Werbewirkungen, die Kategorisierungen und anhängenden Diskriminierungen, aber selten vom Verdacht. Ich finde zu Unrecht, denn die Figur des Verdachts kann die Argumente nochmal anders einordnen und bewusst machen, worum es bei den Kategorien auch gehen kann und welche Vorstellungen und hierarchischen Vorstellungen möglicherweise hinter KI steht – die alles andere als neutral ist, sondern ja gerade ein Symbol und eine Projektionsfläche für Utopien und Wünsche (auch krude) ist.

Inside the Suspicion Machine. Obscure government algorithms are making life-changing decisions about millions of people around the world. Here, for the first time, we reveal how one of these systems works. Wired, 6.3.2023

Digitaler Konsum, reale Ausbeutung

Dass Lieferdienste aus arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten und gewerkschaftlicher Perspektive nicht ideal sind, ist bekannt. Dass sie App-gesteuert auch Teil der Plattformen und somit eines digitalen Kapitalismus oder Überwachungskapitalismus sind, nicht neu. Sowohl hier in Deutschland als auch in anderen Ländern wird gestreikt, gestritten und berichtet, z.B. Deutschlandfunk, 22.4.2022: Gorillas, Lieferando und Co.Neue Arbeitswelt, altes Arbeitsrecht.

Die Washington Post hat bereits im Mai 2023 einen Bericht gebracht, in dem die Journalisten geschaut haben, was wo bei wem und wieviel hängen bleibt in der Kapitalkette: We ordered over $100 of delivery. Here’s how much the restaurants, drivers and apps made.

Nicht erstaunlich, bleibt am Ende dieser Subunternehmer-Kaskade nicht viel übrig. Am Ende erhalten die Plattformen Geld für fast nichts, während Restaurants sowie die Rider und andere Kuriere hart für wenig arbeiten müssen. Zusätzlich werden sie überwacht – auch das Teil der Strategie, genauso wie das Abgreifen der Kundendaten über die Apps.

Wie Lieferdienste als Wirtschaftsfeld funktionieren, lässt sich in einer Folge von Ist das eine Blase dem Wirtschaftspodcast bei Zeit.de nachhören. Nicht viel Neues, aber mit der Beteiligung von Verantwortlichen solcher Lieferdienste hier in Deutschland.