Author: Peter Ullrich

Peter Ullrich, Dr. phil. Dr. rer. med., Soziologe/Kulturwissenschaftler am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (Projektgruppe Zivilengagement), Arbeitsschwerpunkte: Politische Soziologie (Überwachung, soziale Bewegungen/Protest, Antisemitismus/Antizionismus/Nahostkonflikt) und Medizinische Soziologie (Ältere Psychoanalytiker, Prävention, Medizin & Kontrolle/Gouvernementalität)

Soziale Bewegungen im digitalen Tsunami

Heute fand in Berlin die kleine Konferenz “Soziale Bewegungen im digitalen Tsunami” statt. Gedacht auch als Mobilisierungsveranstaltung gegen den Berliner Polizeikongress, die jährliche Berliner “Sicherheit”sbörse, war er doch eher eine Informationsveranstaltung über den Umgang von Polizei und anderen Behörden mit den neuen technischen Möglichkeiten der Ãœberwachung (insbesondere Handy und Internet) sowie eine Suche nach Möglichkeiten für Abwehr, Selbstschutz und Stärkung von Bürger_innenrechten.

Piratenerfolg

Es wirkt fast irreal. Mit 8,9% der Stimmen ziehen die Piraten ins Berliner Abgeordnetenhaus. Die voraussichtlich 14 Mandate können sie mit ihrer 15 Personen umfassenden Liste gerade so auffüllen.
Ein Bundestrend ist das sicherlich nicht. Auffällig ist nämlich ein Spezifikum der Berliner Piratenpartei. Mehr als andere Gliederungen der Organisation in der Vergangenheit hat sie mit mehr als ihren ureigenen Themen punkten können. Es ging also nicht nur um freien Netzzugang, Gegnerschaft gegen Onlineüberwachung oder gegen Ãœberwachung im allgemeinen. Vielmehr haben zumindest die Berliner Piraten den ersten Schritt aus der Single-Issue-Ecke gewagt und Zustimmung auch mit anderen Themen erzielt. Auch wenn sie niemand so recht ernst nimmt – besonders die anderen Parteien und diverse Medienkommentare üben sich doch in einer recht paternalistischen Attitüde – “wilderten” sie erfolgreich mit verschiedenen Fragen im Bereich der libertären Linken. Auf ihrer Agenda standen auch Grundeinkommen, Stopp der Privatisierungspolitik, Wahlrechtsausweitung, Transparenz und Ausweitung demokratischer Mitbestimmung. Nun heißt es gespannt sein, wie sie ihre abstrakten Forderungen in konkrete politische Projekte umsetzen.

Schlechte Argumente gegen die E-Card

Auf der Demo “Freiheit statt Angst” waren sie wieder mit dabei: die Kritiker_innen der Elektronischen Gesundheitskarte. Die Argumente werden aber langsam immer schlechter. Auf ihrem Flugblatt nennen sie drei:

1) Es werde nicht geprüft, ob das eingesandte Foto echt ist. Fordert man also noch “bessere” Kontrolle?

2) Die Geräte seien meist nicht mit desinfizierbarer Folie ausgestattet, deshalb könne man sich an den Tasten mit Krankheiten anstecken. Seuchen durch Kartenterminals?

3) Nur sehr, sehr kurz und knapp wird schließlich vor den riesigen Datenschutzproblemen der Telematikinfrastruktur und ihren sinnlosen Kosten gewarnt.

Das wurde sowohl von den Aktivist_innen als auch aus wissenschaftlicher Sicht schon besser gemacht. Zu letzterem: Decker, O. & Grave, T.
Überwacht oder überwach? Elektronische Gesundheitskarte und Patientenakte. Leviathan. Berliner Zeitschrift für Sozialwissenschaften 38, 191-209

Vortrag: Überwachung, Prävention und Protest

Im Vortrag werden aktuelle überwachungskritische Proteste kurz dargestellt und das sie tragende Spektrum analysiert. Wo gibt es Konflikte, Widersprüche, Probleme? Welche unterschiedlichen Erfahrungen und Vorstellungen treffen aufeinander? Wer wird in der Protestbewegung vertreten und wer vergessen? Welche Ziele werden angestrebt und wie kann man sie erreichen? Diese und andere Fragen des Bandes werden, bebildert durch Protestplakate und -symbole, dargestellt. Auch soll es darum gehen, wie sich durch aktuelle neosoziale Regierungstechniken wie Aktivierung und Prävention die Bedingungen für Protest grundlegend wandeln. Dies wird am Beispiel von Videoüberwachung, Krankheitsprävention und anderen Subjektivierungstechniken und -diskursen erläutert.

Buchvorstellung und Vortrag mit Peter Ullrich (Soziologe, Uni Leipzig, Ex-Leipziger Kamera, Autor und Co-Herausgeber) über KONTROLLVERLUSTE – INTERVENTIONEN GEGEN ÃœBERWACHUNG (Unrast, Münster 2009)

Donnerstag, 21.7., 19 Uhr DEMOZ Ludwigsburg – http://www.demoz-lb.de/programm/programm.htm

10 Jahre 9/11- Menschenrechte in Zeiten des Terrors

Es nähert sich ein Jubiläum. 10 Jahre 11.September 2001. In der Sicherheitsdebatte ist mit den schrecklichen Ereignissen dieses Tages vieles erklärt worden. Manche Ãœberwachungs- und Kontrollmaßnahme hatte damit sicher nichts weiter zu tun oder brauchte die Ereignisse bestenfalls noch als Katalysator oder Vorwand – andere gab es immer auch. Trotz allem macht es Sinn zu bilanzieren, wie sich Ãœberwachung und Kontrolle seitdem entwickelt sowie Freiheits- und Menschenrechte (rück)entwickelt haben.

In seiner wohl vorerst letzten Ausgabe widemet sich dem Thema ein “Salon Surveillance” in Leipzig. Zu Gast ist als Referent Rolf Gössner. Die einst von der Leipziger Kamera ins Leben gerufene Veranstaltungsreihe wird derzeit noch von wenigen Einzelpersonen getragen und vom Verein Engagierte Wissenschaft und der Heinrich-Böll-Stiftung Sachsen unterstützt.

Mehr Infos gibt es hier.

Donnerstag, 26.5., 19 Uhr, Halle 14 (Spinnereistraße 7, Leipzig). Eine ähnliche Veranstaltung gibt es am Tag davor (25.5., 19 Uhr) in Meißen (Kunstverein, Marktstr. 9).

New Book: Prevent and Tame. Protest under (Self)Control

New book on social movements and protest out now!
(Deutsch weiter unten)

Prevent and Tame. Protest under (Self)Control

Florian Heßdörfer, Andrea Pabst, Peter Ullrich (Eds.)

The common dualistic approach to social movements tends to see power and resistance as separate and independent antagonists. The contributors to this book aim to transcend that approach, arguing that to adequately analyze ongoing struggles, it is also critically important to trace the constitutive interconnectedness between social movements and power. This is the aim of the title “Prevent and Tame”: emergent strategies to prevent and tame protest―whether they are undertaken by the state or by factions within the movements themselves―have given rise to new kinds of social relations and regulations that call for a new approach to research on social movements and protest.

Inspired by Foucault and others, this book offers theoretical and empirical investigation into the implications that governmentality studies and subjectivation perspectives may have for a deeper understanding of the dynamics in the relationship between power and movements. The articles reflect on the effects of current neo-liberal or neo-social transformations on social movement practice, including the impact of surveillance, the criminalization and stigmatization of protest, and how these can lead movements to engage in self-taming behavior amongst themselves.

Taken as a whole, this book suggests that to take the struggles of social movements seriously, requires to acknowledge the complexity of the power dynamics in which they are involved. In so doing, the authors’ aim is not to tame protest by over-amplifying its apparent obstacles, but to prevent its energy from being pointlessly wasted or misdirected (i.e. by being spent in the wrong places, in false conflicts, or even in fighting the clouds they cast themselves).

Includes contributions by

Stephen Gill, Peter Ullrich, Florian Heßdörfer, Andrej Holm, Anne Roth, Marco Tullney, Michael Shane Boyle, Darcy K. Leach, Sebastian Haunss and Nick Montgomery

Bibliographic Information

Heßdörfer, Florian; Pabst, Andrea; Ullrich, Peter (eds.) 2010: Prevent and Tame. Protest under (Self)Control, Berlin: Dietz, ISBN 978-3-320-02246-4, 122 pp., € 9.90.

free download

http://www.rosalux.de/publication/37206/prevent-and-tame-protest-under-selfcontrol.html

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info@dietzberlin.de


Table of contents

Stephen Gill
Preface: Political Protest in the Age of Neoliberal Austerity

Peter Ullrich, Andrea Pabst, and Florian Heßdörfer
Introduction: Prevent and Tame. Ideas for a New Perspective on Social Movements and Protest

Peter Ullrich
Preventionism and Obstacles for Protest in Neoliberalism. Linking Governmentality Studies and Protest Research

Florian Heßdörfer
Anti-Social or Childish: Protest and Youth under the Eye of Prevention

Marco Tullney
Organizing Employees Under Surveillance: My Boss is Spying on Me, So I Better Keep My Mouth Shut

Andrej Holm and Anne Roth
Anti-Terror Investigations against Social Movements―A Personal Experience of a Preventive Threat

Michael Shane Boyle
The Criminalization of Dissent: Protest Violence, Activist Performance, and the Curious Case of the VolxTheaterKarawane in Genoa

Darcy K. Leach and Sebastian Haunss
»Wichtig ist der Widerstand«: Rituals of Taming and Tolerance in Movement Responses to the Violence Question

Nick Montgomery
Beyond Civil Disobedience and Counter-hegemony: Legitimacy, Strategy and Tactics in the 2010 Anti-Olympics Movement

Kurzbeschreibung (deutsch)

Prevent and Tame. Protest under (Self-)Control

Die gängigen Analysen sozialer Bewegungen neigen dazu, Macht und Widerstand als voneinander unabhängige Größen zu behandeln. Demgegenüber ist den Autor_innen dieses Buches daran gelegen, der Verflochtenheit von Widerstand und Macht nachzugehen. Dahin zielt auch der Buchtitel “Prevent and Tame”: Den Strategien, Protesten vorzubeugen oder sie zu zähmen – egal ob sie von Seiten des Staates oder von Teilen der Bewegungen ausgehen – liegen neue soziale Verhältnisse zugrunde, die nach neuen Forschungsansätzen verlangen.

Das Buch versammelt theoretische und empirische Untersuchungen und fragt nach den Konsequenzen, die sich beispielsweise aus den Foucault‘schen Konzepten der Gouvernementalitäts- und Subjektivierungsforschung ergeben. Die Aufsätze nehmen insbesondere die Effekte neo-liberaler bzw. neo-sozialer Transformationsprozesse auf die Praxen sozialer Bewegungen in den Blick, darunter die Folgen von Überwachung, Kriminalisierung und Stigmatisierung. Dies beinhaltet auch die Frage, wie es dazu kommt, dass sich Bewegungen schließlich selbst um Strategien der eigenen ‚Zähmung‘ und der Einhegung ihres Protests bemühen.

Das Buch fordert dazu auf, die Komplexität der Machtbeziehungen anzuerkennen, gegen die und in denen sich soziale Bewegungen und Proteste konstituieren. Dabei wollen die Autor_innen keineswegs zur Einhegung von Protest beitragen, sondern verhindern, dass Potentiale folgenlos oder zu fragwürdigen Zielen oder gar im Kampf wider die eigenen Schatten verschwendet werden.

Mit Beiträgen von Stephen Gill, Peter Ullrich, Florian Heßdörfer, Andrej Holm, Anne Roth, Marco Tullney, Michael Shane Boyle, Darcy K. Leach, Sebastian Haunss und Nick Montgomery.

“Bilder der Ãœberwachungskritik”

“Bilder der Ãœberwachungskritik” – (Interaktiver) Vortrag mit Bildern

am 17.11.1010, 20 Uhr,  in Hamburg

Kulturhaus 73, mit Anja Lê und Peter Ullrich

Die Bildwelten und Symbole überwachungskritischer Bewegungen sagen viel über deren Weltsichten und zeigen zugleich Brüche innerhalb des Protestspektrums an. Der Vortrag analysiert gängige sprachliche und visuelle Bilder aktueller Protestbewegungen (Big Brother, Panopticon, Wolfgang Schäuble & sein Fingerabdruck, Der Überwachungsstaat, usw.), um die oft nur impliziten Annahmen über Gesellschaft und Staat, Täter und Opfer sowie die Möglichkeiten politischer Einflussnahme und die Perspektiven sozialer Veränderung zu verdeutlichen.

Im Vortrag sollen Bilder (Webseiten Sticker, Plakate, Slogans) gemeinsam interpretiert werden, um deren Muster und Sichtweisen herauszuarbeiten. Mit Buchvorstellung des Buches “Kontrollverluste – Interventionen gegen Ãœberwachung” (Münster 2009).

Mit: Anja Lê, Kunstgeschichte, Hamburg &  Dr. Peter Ullrich, Sozialwissenschaftler, Leipzig / organisiert von: Rosa Luxemburg Stiftung

Vortrag: Das Volk zählen – Analyse und Kritik des EU-Zensus 2011

11.11.: Salon Surveillance: Das Volk zählen – Analyse und Kritik des EU-Zensus

mit Dr. Daniel Schmidt, Universität Leipzig

19.30 Uhr, Moritzbastei, Leipzig

Im Jahr 2011 wird in der Europäischen Union eine Volkszählung (Zensus) durchgeführt. In Deutschland kommt dabei zum ersten Mal das so genannte «registergestützte Verfahren» kombiniert mit Stichprobenerhebungen zum Einsatz. Damit werden verschiedene Fragen aufgeworfen: Welche Besonderheiten und Schwierigkeiten der Datenerhebung weist dieses Verfahren auf? Welche Kategorien werden erhoben? Und grundsätzlich betrachtet: Warum werden «wir», die «Bevölkerung», überhaupt gezählt? Was bedeutet in diesem Zusammenhang Bevölkerungspolitik? Welche «Idee» des Staates steckt hinter diesem Zählen? Und welche Rationalitäten von Macht, Regierung und Kontrolle werden damit sichtbar? Daniel Schmidt wird zentrale Ziele und die Ausgestaltung des EU -Zensus vorstellen und dabei das Augenmerk auf Deutschland legen. Er wird Thesen zu den Problemen von vermeintlich objektiven Kategorien vorstellen und auf die Datenschutzprobleme hinweisen. Darüber hinaus werden zivilgesellschaftliche Akteure und deren politischen Protest gegen den Zensus in den Blick geraten. Davon ausgehend werden kritische Überlegungen den Zensus in den Kontext von «Biopolitik», also der Regierung der Bevölkerung, stellen.

Jenseits von Ãœberwachung. Strategien der Kontrolle und ihre Kritik

Heft 20 der Reihe “Philosophische Gespräche” zum Thema “Jenseits von Ãœberwachung. Strategien der Kontrolle und ihre Kritik. Tagungsbeiträge” ist erschienen.

Reihe “Philosophische Gespräche”, Heft 20, 2010, 52 S., A5, 3 Euro plus Versand

Beiträge von Matthias Rothe/Falko Schmieder, Lars Ostermeier, Vassilis Tsianos/Serhat Karakayali, Peter Ullrich/Anja Lê

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Antirepressionskongress “New Roads of Solidarity”

Internationaler Antirepressionskongress in Hamburg
8. bis 10. Oktober 2010, Universität Hamburg

AUS DER EINLADUNG:

Liebe Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen, liebe Interessierte,

wir möchten Euch herzlich zu unserem Internationalen Antirepressionskongress nach Hamburg einladen. Für die Veranstaltung konnten wir kritische WissenschaftlerInnen, Medienschaffende und politische AktivistInnen (u.a. den Historiker Moshe Zuckermann, den Journalisten Will Potter, den Friedensforscher Tobias Pflüger, den Politikwissenschaftler Georg Fülberth) aus den USA, Israel, Großbritannien, Österreich, der Schweiz und BRD gewinnen. Sie werden in Vorträgen, Seminaren und einer Podiumsdiskussion den Zusammenhang zwischen Totalitarisierungstendenzen des globalisierten Kapitalismus, der sich zunehmend im autoritären Staat offenbarenden Klassenherrschaft, der wachsenden Herausbildung bellizistischer, xenophober u.a. Ideologeme und der rücksichtslosen Ausbeutung von Natur und Tieren erörtern.

Das Programm und alle anderen Informationen über den Kongress könnt Ihr unserer Internetseite entnehmen:

antirepkongresshh2010.tk

Die Veranstalter: Wissenschaftlicher Hochschulzusammenschluss zur Erforschung des Mensch-Natur-Verhältnisses