Rezension: Crime and Globalization

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Karstedt, Susanne & Nelken, David (Hg.): Crime and Globalization, Farham England: Ashgate, 2013

von Susanne Krasmann, Hamburg

Der einleitende Satz in den Band ist bezeichnend: „Globalization has engaged the criminological imagination for more than two decades.“ Die kriminologische Imagination. Das ist in der Tat ein interessanter Zugriff auf das Thema der Globalisierung, die in der kriminologischen Diskussion (und dazu gehören Wissenschaftler wie „Praktiker“, also die Mitarbeiter und Mitwirkenden in den Institutionen der Kriminalitätskontrolle, gleichermaßen) vor allem als ein Motor wahrgenommen und gedacht (imaginiert!) wird, der die Ausbreitung von Phänomenen der Kriminalität beschleunigt. Kriminalität, vor allem in ihren organisierten Formen, bildet demnach die Kehrseite oder, je nach Perspektive, auch die Schattenseite der Globalisierung – entsprechende moral panics und Kontollambitionen, einschließlich Kriminalisierung und Strafverschärfung werden damit leicht greifbar. Die Herausgeber dieses Bandes treten demgegenüber eher für eine „realistische“ Sichtweise ein, und so zeichnet der Band sich wohltuend dadurch aus, dass er Begriffe, Phänomene und theoretische Zugriffe zuallererst sortiert. Dabei besteht gewissermaßen der Charme dieses Bandes darin, dass er bereits publizierte Aufsätze zum Thema eben aus fast zwei Jahrzehnten aus den verschiedensten Zeitschriften und von renommierten Autorinnen (ja, nicht überwiegend, aber doch viele weibliche Autoren) und Autoren versammelt, und zwar disziplinübergreifend (zu nennen, ohne Anspruch auf Vollständigkeit oder Gerechtigkeit, sind etwa Saskia Sassen, Liza Weinstein, Katja Franko Aas, Pat O’Malley, Arjun Appadurai; ähnlich die Zeitschriften: von Crime, Law and Social Change und Theoretical Criminology bis hin zu Theory, Culture & Society und Journal of Modern African Studies).

Globalisierung und Phänomene der Globalisierung lassen sich auf sehr verschiedene Weise begreifen, und so wendet der Band sich gegen die vereinfachende Vorstellung, es handele sich hierbei um einen einheitlichen oder vereinheitlichenden Prozess (im Singular). Viel ist mittlerweile in den Sozialwissenschaften darüber geschrieben worden, dass das Globale selbst etwas ist, das sich in Praktiken erst herstellt; dass Globalisierung nicht nur eine Frage hegemonialer Symbolik und Sinnstiftung ist, sondern aus Technologien und Zirkulationen von Waren, Menschen, Kommunikationen hervorgeht, die ihrerseits Verknüpfungen und Abhängigkeiten schaffen, ebenso wie Schnittstellen und Räume der Exklusion und Produktion von Ungleichheiten. „Crime and Globalization“ wirft denn auch die Frage auf, wie „Globalisierung“, so verstanden, lokale und nationale Phänomene der Kriminalität prägt, wie Globalisierungsprozesse sich ungleich vollziehen und ganz unterschiedliche Effekte in den verschiedenen Regionen und gesellschaftlichen Schichten hervorrufen, Norden und Süden, Zentrum und Peripherie neu (ein-)teilen, und als ein spezifisch städtisches Phänomen vor allem auch das Gesicht der Städte („the face of cities“) verändern. Die Kriminologie hält für diese unterschiedlichen Betrachtungsweisen und Effekte die räumlichen mit entsprechenden rechtlichen Unterscheidungen bereit: zwischen spezifisch lokalen und nationalen Problemen der Kriminalität, transnationalen oder grenzüberschreitenden Formen vor allem der sogenannten Organisierten Kriminalität, internationale Kriminalitätsphänomene wie Völkermord, Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschheit, sowie globalisierte Interventionsformen, insbesondere von Akteuren, Institutionen und Organisationen der Weltwirtschaft bzw. des internationalen Finanzkapitalismus, die im rechtlichen Sinne streng genommen (noch) nicht als Kriminalität zu bezeichnen sind, aber als schwere Eingriffe in die Arbeits- und Umweltökonomie zu adressieren sind.

Der Band gliedert sich neben den theoretisch-konzeptionellen Beiträgen in die thematischen Unterfelder der globalen Akteure und weltweiten Kriminalität, der lokalen Kristallisierung des Globalen in den Städten und Märkten, der globalen Zirkulationen und Grenz(verschiebung)en, der Verknüpfung von legalen und illegalen Praktiken und Sphären des Welthandels, des Zusammenwirkens von globalen Kräften und lokalen Gewaltphänomenen, sowie der globalen Netzwerke des Wissens und der Praktiken im Feld von Kriminologie und Kriminalpolitik.

Auch wenn Fragen der Trans- und Internationalisierung des Rechts, der Souveränität und Staatenbildung im globalen Kontext hier ausgeklammert bleiben – der Band folgt eher einem strafrechtlich orientierten Begriff von Kriminalität und wirft nicht die Fragen der Rechtsetzung auf – und Phänomene des transnationalen Terrorismus oder der Radikalisierung erstaunlich unterbelichtet bleiben, zeichnet sich „Crime and Globalization“ doch durch einen erfrischend offenen, eben disziplinäre Grenzen überschreitenden Zugang aus, durch den der Gegenstand gleichwohl nicht verwässert wird. Das Buch ist zur Lektüre, vor allem zum Schmökern zu empfehlen, auch wenn man dies, angesichts des stolzen Preises, wohl doch vornehmlich in der Bibliothek machen muss.

Susanne Krasmann, Hamburg

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