Rezension: Surveillance Schools

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Emmeline Taylor: Surveillance Schools. Security, Discipline and Control in Contemporary Education. Milton-Keynes. Palgrave MacMillan. 2013.

von Kendra Briken, Glasgow

Geht es um Überwachung von Schulkindern, so stehen im deutschsprachigen Raum zumeist Eltern in der Kritik, die über die Aktivitäten ihrer Kindern helikoptern. Technologisch unterstützte und seitens der Schule eingesetzte Überwachung hingegen findet wenig Resonanz. Wachschutz an Schulen wird regelmäßig nur für Berliner Schulen diskutiert und umgesetzt. Und selbst Amokläufe an deutschen Schulen haben nicht zu einem umfassenden Politikwandel geführt. Noch scheint es einen breiten Konsens darüber zu geben, dass Prävention nicht durch Technik, sondern mittels Kommunikation funktionieren soll

Einen ganz anderen Eindruck vermittelt das von Emmeline Taylor verfasste Buch „Surveillance Schools. Security, Discipline and Control in Contemporary Education“, dass sich dem Thema vom angelsächsischen Raum aus annähert. Basierend auf Fallstudien an drei weiterführenden Schulen in England sowie Recherchen zum Einsatz von Überwachungstechnologien in den USA und in Großbritannien. Ihr Befund ist eindeutig: „The school gates have been opened to a variety of surveillance technologies including CCTV, metal detectors, fingerprinting, online monitoring, facial recognition, and palm vein scanners“ (15). Ergänzt werden diese Verfahren durch den Einsatz uniformierter Polizei in der Schule, zufällige Drogentests, Drogenhunde sowie transparente Schliessfächer und Taschen.

Taylor zeigt in den ersten zwei der vier in sich jeweils unabhängig voneinander mit Gewinn zu lesenden Kapiteln empirisch zum einen, dass insbesondere CCTV im Zeitverlauf in seiner Nutzung erheblich ausgeweitet wurde. Eingeführt mit der Begründung der „Kriminalitätskontrolle“, wird es aktuell auf eine Vielzahl von Verhalten und Aktivitäten ausgeweitet, etwa Rauchen, Leistungskontrolle von Lehrenden, Mobbing oder kleinere Streitigkeiten im Klassenraum. Hier spiegelt die Entwicklung in den Schulen die (kriminal-)politische Wende, die 1998 unter Tony Blair eingeleitet wurde und die Verhaltensweisen im öffentlichen Raum als Anti-Social-Behaviour strafverfolgt. Von den SchülerInnen selbst wird dies als harter Eingriff in ihre Privatsphäre gesehen. Widerstand manifestiert sich etwa in Versuchen, Kameras in andere Richtungen zu schwenken oder in Versuchen, die Räume, die per CCTV erfasst werden, zu meiden. Eltern wie SchülerInnen eint ein Misstrauen gegen die Technologien, doch Taylor resümiert eher resignativ. Überwachungstechnologien würden, einmal eingeführt, nur selten wieder abgeschafft. Die Kritik wird aufgenommen, aber sie bleibt folgenlos und führe, so Taylor, zu einer stillschweigenden Akzeptanz der Verhältnisse.

Theoretisch-analytisch interpretiert Taylor in den Kapiteln 3 und 4 einmal in Richtung des gesellschaftlichen Einflusses von Surveillance Schools. Sie sieht im Drang zur Überwachung innerhalb von Schulen den Ausdruck einer Weiterung einer Kontrolle, die freilich nicht allein über eine verkürzte, an Foucault orientierte Interpretation eines neuen technologischen Panoptismus funktioniere. Taylor ordnet ihre Befunde vielmehr in den Rahmen des aktuell existierenden Neoliberalsimus. Sie ordnet ihre Befunde zu den „Surveillance Schools“ ein in Zusammenhang mit u.a. von Loic Wacquant oder auch David Garland prominent vertretenen Positionen, die sich v.a. mit dem neoliberalen Trend zu Masseninhaftierungen befassen. Sie kommt zu dem Schluss, dass sowohl in den USA wie auch in Großbritannien schulische Disziplinierung in diesem Kontext nicht mehr vordergründig dazu dient, Arbeiten zu lernen, sondern zunehmend ein „learning to do time“ (96) sei. Schule diszipliniert aber nicht allein für die Zeiten ohne Arbeit, die in fragmentierten Erwerbsbiographien normalisiert sind. Vielmehr, so Taylors kritische Perspektive, zunehmend auch für das Gefängnis. „The school production line is no longer routed only to the industrial workplace, but rather prisons have become the relief valve, filtering already marginalised poor into carceral warehouses“(95).

Dass Schulen nicht allein das Hinterland des penal states sind, sondern sich in ihnen auch ein handfestes ökonomisches Interesse manifestiert, wird in einer materialistisch orientierten Analyse des Sicherheitsmarktes deutlich. In den USA etwa gelten Schulen als der am drittschnellsten wachsende Markt für kommerzielle Anbieter von Sicherheitstechnologien. Über einen Anbieter von Metalldetektoren heißt es, us-amerikanische Schulen seien seit 2003 ein Absatzmarkt, der Gefängnisse und Flughäfen in seinem Potential deutlich übersteige. Belastbare Daten zu Großbritannien kann Taylor nicht vorlegen, dennoch scheint der Trend zur Privatisierung schulischer Bildung den Einsatz von Überwachungstechnologien zu befördern. Wo Bildungsinstitutionen zueinander in Konkurrenz gesetzt werden, kann Sicherheit zu einem Alleinstellungsmerkmal besonderer Art werden.

Abschliessend hält Taylor fest, dass es sich bei „Surveillance Schools“ keinesfalls um einen kohärenten Trend oder gar eine politische Strategie handele. Ihre empirischen Beobachtungen belegen aber etwa, dass in Zeiten des Abbaus von SchülerInnenrechten, der Privatisierung von Bildung wie auch einer sich zuspitzenden Prekarisierung weiter Bevölkerungsteile die Surveillance School zu einem neuartigen Leitmedium werden könnte. Zuzustimmen ist Taylor, wenn sie schlussendlich konstatiert: „Schools as microcosmos of society can permit us a prophetic glimpse into the future, and as such it is a crucial time for scholars to study the phenomena of the ‘Surveillance School’“ (113).

Kendra Briken, Glasgow

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