Month: Dezember 2008

25c3 – Nothing to Hide – aber eine Menge zu verlieren

Danke an Marco für die Eindrücke vom CCC Kongress. Die vorgestellten Thesen sind in der Tat etwas, dass meinen Kommentar herausfordert. Schwierig ist, dass ich den Vortrag nicht gehört habe und endgültig wohl warten muss, bis er online verfügbar ist, dennoch hier ein paar Bemerkungen.

Zum einen sind die Thesen so neu nun auch wieder nicht. Und der Privacy-Aktivist John Gilmore hat es in seiner Eröffnungsrede ja auch gesagt – es sind die Thesen von David Brins Transparent Society, die dieser bereits vor 10 Jahren aufgestellt hat. Ein schwieriges Buch. Der Ansatz ist klasse – mehr Transparenz. Wenn der Staat von uns so viel erfahren will, dann soll er im Gegenzug auch von sich alles preisgeben. Der Schluss dann alles öffentlich und einsehbar zu machen ist allerdings falsch, bestenfalls problematisch – denn diese Gleichung kann es zwischen dem Staat und seinen Bürgern nicht geben. Der Staat darf diese Rechte nicht von seinem Bürger einfordern, während der Bürger sehr wohl auf ein mehr an Transparenz Anspruch haben sollte.

Die totale Offenheit, die in den Thesen mitschwingt, ist der Tod von Gesellschaft – ein Blick in Heinrich Popitz’ “Ãœber die Präventivwirkung des Nichtwissens” ist da hilfreich und sehr lohnend (in ders. Soziale Normen, FfM 2006).

25c3 – Nothing to Hide

Einen Gruß aus Berlin an die werte Leserschaft. Erster Tag für mich und bereits einen ersten sehr angenehm kontroversen Vortrag von Christian Heller über Privacy gehört, sobald Folien und Mitschnitt online sind, muss sich auch der Oberblogger Herr Zurawski den mal ansehen, einige Thesen werden ihm gar nicht gefallen. Meine Updates gibt es auf Twitter, über das Hashtag #25c3 lassen sich auch alle Micro-Blog-Beiträge zum Congress verfolgen.

Einige Thesen aus dem Vortrag (aus meinem Twitter-Feed kopiert):

Рm̦glicher nutzen von surveillance: selbstdokumentation als mittel zum schutz vor falschen anschuldigungen .

– surveillance vs. sousveillance vs. equiveillance (z. b. polizeiwatch)

– these: durch schwindende privacy mehr freiheit des individuums, so zu handeln, wie man wirklich fühlt, kein vortäuschen nötig

– these: meinungswandel wird künftig eher akzeptiert, weil von allen interaktionen aufzeichnungen existieren

– durch neue offenheit wird eine gesellschaft gezwungen, toleranter zu werden, ansonsten würde sie zerbrechen

Frohes Fest

Ich wünsche allen Lesern und Autoren von Surveillance Studies ein frohes Fest – gleich ob christliche Weihnacht, Hanukkah oder eine Alternative für alle Nicht-Weihnachtler. Da der Wunsch nach einem Abbau von Ãœberwachung ein frommer Wunsch bleiben wird, hoffe ich auch im nächsten Jahr auch gute Beiträge, Konferenzberichte, neue Tagungen und einen regen geistigen, wissenschatlichen und sonstigen Austausch zum Thema

mit besten (weihnachtlichen) Grüßen

nilz

CU@Berlin?

Mal ne Frage an die geneigte Leser- und Mitautorenschaft: Ist eigentlich jemand auch auf dem CCC dieses Jahr? Laut Fahrplan wird es ja wie gewohnt spannend, ich werd mich ab dem 28. auch dort sehen lassen, falls jemand aus diesem Kreise Lust auf spontane Treffen und Mate-Ausschweifungen hat, würde ich ein Treffen via Twitter-Orga vorschlagen, man liest sich via hastag #ccc.

Die unheimliche Ironie der Ãœberwachung

Wie Cory Doctorow, Autor von Little Brother im Weblog Boingboing meldet, machen in Brighton “unheimliche” Plakate Werbung für Videoüberwachung mit dem Slogan More CCTV means more security for you. Doctorow kommentiert das Plakat wie folgt:

These unbelievably creepy pro-spy-camera ads have gone up in the Brighton, England train-stations. It’s like they’re not even trying anymore. (Or maybe it’s a prank? Could someone really have put this up in a public place this with a straight face?)

(Für eine ausführlich Erläuterung, warum Plakate, die für Videoüberwachung werben, notwendigerweise unheimlich wirken und unter dem Verdacht stehen müssen, ein Prank, eine Fläschung in subversiver Ansicht zu sein, siehe die Seiten 246-249 in meinem Buch Bilder der Überwachung, wo ich ausführlich auf die Rezeption dieses schönen Plakates eingehe. Siehe auch hier und hier. Für ein anderes Beispiel hier.

Nachtrag: Man vergleiche das Design des Plakats mal mit diesem Cover.

Monitore bleiben unbesetzt – aus Geldmangel

Wie der Daily Mail berichtet, bleiben in Zeiten knapper kommunaler Haushaltskassen in Großbritannien viele Arbeitsplätze an den Monitoren unbesetzt: Big brother is NOT watching you:

As cash-strapped police forces and councils around the UK are forced to tighten their belts in the recession, CCTV cameras around town centres are being left unmanned as they can’t afford to pay anyone to watch out for crime as it happens.

Der Artikel berichtet von Kommunen, in denen Polizei und Stadtverwaltung sich gegenseitig die finanziellen Kosten zur Beobachtung der Kameras zuschieben wollen. Um Personal zu sparen, werden Kameras auf Autopilot gestellt. Verwertbare Aufnahmen von Straftaten weden damit zu Zufallstreffern. In manchen Kommunen schaltet die Polizei Anzeigen, um Freiwillige zu finden, die sich ohne Bezahlung vor die Monitore setzen. Die Annahme, Videoüberwachung ist eine “billige” Lösung, ist damit wohl widerlegt.

Dazu die Einschätzung von David Wood, verbreitet über die Mailingliste des Surveillance Studies Network:

It will probably not be resistance that is the biggest enemy of surveillance, but capitalism.

Nichts zu verbergen, nichts zu befürchten?

Eine kleine Erinnerung an das Volkzählungsurteil von 1983 von Claudia Venohr, NDR Info, bei tagesschau.de.

Nichts zu verbergen, nichts zu befürchten?

Mal schauen, was es 2011 so gibt mit der neuen Volkszählung – aber eine solche Erhebung scheint nichts zu sein zu dem, was ohnehin schon an Maßnahmen, Kontrollversuchen, Datenlecks und Sammlungen vorhanden ist. Auch wenn sich die Regierung gerade als größte Datenschützer der Welt gerieren – und an anderer Stelle genau das Gegenteil davon tun.

Licht für Berlin

In dem Buch des Kollegen Dietmar Kammerer “Bilder der Ãœberwachung” beginnt gleich das erste Kapitel mit einem Abriss über die Straßenlaternen und der Idee der Kontrolle und Ãœberwachung, im Sinne einer Sichtbarmachung des im Dunkel verborgen gebliebenen. Da auch heute noch immer viel darüber diskutiert wird, ob eine Mehr an Straßenbeleuchtung auch zu einem Mehr an Sicherheit (oder einem besseren Sicherheitgefühl) führen kann, ist die gerade in Berlin stattfindende Ausstellung “Berlin im Licht” zur Geschichte der Berliner Straßenbeleuchtung sicherlich interessant.

Mit Bezügen zur Vorgeschichte der Beleuchtung und Exkursen zur heutigen urbanen Berliner Lichtlandschaft zeichnet die Ausstellung ein breit angelegtes kultur- und zeithistorisches Berlin-Panorama. Sie verdeutlicht auch, dass Berlin stets Ort permanenter lichttechnologischer Innovation war und bis heute ist. Daneben umfasst die Ausstellung Lichtkunstinstallationen, gestaltet von Christina Kubisch und anderen renommierten Künstlern, die das Museum im Jubiläumsjahr innen und außen neu ins Licht setzen. (Stiftung Stadtmuseum Berlin zur Ausstellung)

Die FAZ Sonntagszeitung hatte dazu einen großen Artikel im Wissenschaftsteil am Sonntag 14.12.2008 (online nur für Abonnenten). Wie der Autor des Artikel schreibt, wurde die Beleuchtung in ihren Anfängen besonders von der Kirche als “Eingriff in die Ordnung Gottes” angesehen oder als für “schwachleibiger und zarnterviger Personen” gefährlich. Die Vorstellung in einer Stadt kein Licht zu haben ist für uns sicherlich befremdlich und wäre auch gar nicht mehr durchsetzbar.

Überlegungen zur Historie der Stadtbeleuchtung unter dem Aspekt der Sicherheit sind aber lohnenswert und auch in der heutigen Diskussion um Sicherheit und Sicherheitsgefühl durchaus aktuell.

Videoüberwachung gegen Prostitution

Spiegel TV hat einen Beitrag über einen Straßenstrich in der tschechischen Grenzstadt Komotau/Chomutov, auf dem Videoüberwachung gegen Prostitution eingesetzt wird. Wird eine Prostituierte auf einem Monitor entdeckt, werden Beamte losgeschickt, um sie zu vertreiben. Außerdem stellt die örtliche Polizei Fotos ins Netz, auf denen die Autos der (angeblich meist deutschen) Freier zu sehen sind. Auf den Fotos sind die Kennzeichen und Gesichter der Fahrer allerdings maskiert, wohl aus Datenschutzgründen.

Veranstaltung zu Bürgerrechten und Sicherheit

Bürgerrechte und Sicherheit: “Alte” Werte vor neuen Herausforderungen

Öffentliche Diskussion mit dem Justizsenator und Professoren der Fakultät der Uni Hamburg am Mittwoch, 17.12., um 18.00 Uhr

Um das aktuelle Spannungsfeld von Bürgerrechten und Sicherheit geht es in einer öffentlichen Veranstaltung am Mittwoch, den 17.12.2008 (Ort und Uhrzeit: Rechtshaus, Schlüterstraße 28, 18.00 Uhr s.t., Erdgeschoss, Raum EG 18/19). Rechtspolitik, Justiz und Rechtswissenschaft begegnen sich hier und diskutieren über die neuen Herausforderungen an dieses “alte” Thema, insbesondere in den Zeiten der Bedrohung durch den internationalen Terrorismus.

Mit: Senator Dr. Till Steffen, Prof. Dr. Hans Peter Bull, Prof. Dr. Wolfgang Hoffmann-Riem, Prof. Dr. Karl-Heinz Ladeur, Prof. Dr. Arndt Schmehl (Leitung), Prof. Dr. Peter Wetzels. Begrüßung: Dekan Prof. Dr. Hans-Heinrich Trute.

Who are the brain police?

I must be free
My fake I.D.
Freeees me
Gotta do a few things
To make my life complete
Gotta live my life
Out on the street
The difference between us
Is not very far
Cruising for burgers
In daddy’s new car
My phony freedom card
Brings to me
Instantly
Ecstasy

(Frank Zappa: Cruising for Burgers , Album original: Uncle Meat)

Heute ist Frank Zappas 15. Todestag. Der Text passt zum Blog und FZ zum Thema, mit seiner satirischen Kritik und den politischen Texten. Ãœberwachung ist darin auch immer wieder ein Thema, damals noch häufig über den Einfluss des Fernsehens und die darüber ausgeübte Kontrolle, wie in “I’am the slime” (“… a tool of the gouvernment…”).

Dazu passt allerdings auch die Kontrollschlacht um seinen Namen und die Rechte, die seine Witwe Gail seit wenigen Jahren mit der Zappanale in Bad Doberan und anderen Fans und Künstlern veranstaltet, die seine Musik spielen wollen.

Der Eintrag heute ist allerdings nur zu seinem Andenken zum Todestag.

Am Freitag gibt es auf NDR Info von 22.05 Uhr an ein Konzert der NDR Bigband mit ihrem Zappa-Programm – ein echter Leckerbissen.