Month: Januar 2008

Europäischer Polizeikongress und Proteste

Zur umfangreichen Sicherheits- und Überwachungsarchitektur gehört natürlich auch die Polizei. Ohne diese generell in Frage zu stellen, kann man sich sehr wohl Gedanken über deren Ausgestaltung, den Anstieg von Handlungsbefugnissen und ihre Rolle innerhalb von Sicherheitsdiskursen machen

Beim gerade stattgefundenen 11. Europäischen Polizeikongress (hier könnt ihr die Ideen im Wortlaut nachlesen – wenn auch in Amtssprache verklausuliert) in Berlin gab es genau aus diesen Gründen einige Proteste, mit denen die Protestierer sich gegen Entwicklungen wie den Ausbau von Ãœberwachungsmaßnahmen aussprachen.

Der Deutschlandfunk brachte aus aktuellem Anlass einen Bericht zur Sicherung der europäischen Grenzen, wozu die Polizeien Europas immer stärker auch auf Technik vertrauen. Um mal wieder der beliebten Frage nach Überwachung und Wirtschaft nachzugehen, wird hier auch gefragt, welche Technologien es gibt und wer diese herstellt. Und natürlich ist die Technikverliebtheit der Politiker und der Polizei auch auf die Initiativen der Wirtschaft zurückzuführen, die ihre oftmals mit viel Geld entwickelten Gerätschaften verkaufen wollen. U.a. mit dabei Carl Zeiss Optronics, EADS Global Security und IBM (in dem Beitrag, da sind sicherlich noch mehr im Spiel). Mehr Forschung dazu wäre dringend notwendig.

Conspire – transmediale08

Die transmediale08, die in diesen Tagen in Berlin stattfindet, hat als Motto “Conspire”. Ein Motto, dass als geradezu archetypisch für alle Formen der Ãœberwachung gelten kann. RBB Online hat ein großes Special für die Veranstaltung auf seinen Seiten eingerichtet. In sieben Themenbereichen widmet sich die transmediale08 Aspekten der neuen Medien wie “Visionäre Leben”, “Verdrehte Realitäten” oder “Konspirative Wahrheiten”.

Die Teilnehmerliste ist riesig – es gibt Ausstelllungen, viele Kunstprojekte und Vorträge, u.a. von Humberto Maturana. Zum Thema Surveillance gibt es (soweit ich das auf Anhieb finden konnte) einen Film von Manu Luksch mit dem Titel “FACELESS: opportunistic infections of the surveillance apparatus“.

Verschwörung und Ãœberwachung ist ein bislang wenig beleuchtetes Thema, aber ein ständig unterschwellig präsentes – von daher lohnt sich ein Blick auf die Webseite oder ein Besuch der transmediale08 bestimmt.

Erfurt und die Stasi im Stadtraum

Gerade habe ich einen Bericht über ein Projekt zur Stasi in Erfurt gehört (auf dradio) – darüber hatten sie bereits schon einmal berichtet. Von Interesse dann – die Geografie der Stasi. Berichtet wurde von einem Kunstprojekt , “mit dem deutsche, englische und schwedische Künstler die “Architektur der Ãœberwachung” ergründen wollen”. Wenn auch älter, so finde ich das immer noch höchst interessant, auch weil hier räumliche Verbindungen der Akteure und Objekte der Ãœberwachung gezogen werden und die vermeintliche neutrale Welt der Architektur mit einbezogen wird. Räume werden eben konstruiert – auch die der Ãœberwachung, zwingend sogar, um überhaupt erst die Vorraussetzung für Beobachtung, Spionage, eventuell auch Disziplin und Sicherheitsbedürfnis zu schaffen.

Nur mal nebenbei….

Ein alter Araber lebt seit mehr als 40 Jahren in Essen. Er würde gerne in seinem Garten Kartoffeln pflanzen, aber er ist allein, alt und schwach. Deshalb schreibt er eine E-Mail an seinen Sohn, der in Paris studiert.

“Lieber Ahmed, ich bin sehr traurig weil ich in meinem Garten keine Kartoffeln pflanzen kann. Ich bin sicher, wenn du hier wärst, könntest Du mir helfen und den Garten umgraben. Dein Vater.” Prompt erhält der alte Mann eine E-Mail: “Lieber Vater, bitte rühre auf keinen Fall irgendetwas im Garten an. Dort habe ich nämlich ‘die Sache’ versteckt. Dein Sohn Ahmed.”

Keine sechs Stunden später umstellen Bundeswehr, Polizei und der Verfassungsschutz das Haus des alten Mannes. Sie nehmen den Garten Scholle für Scholle auseinander, suchen jeden Millimeter ab, finden aber nichts. Enttäuscht ziehen sie wieder ab. Am selben Tag erhält der alte Mann wieder eine E-Mail von seinem Sohn: “Lieber Vater, ich nehme an, dass der Garten jetzt komplett umgegraben ist und du Kartoffeln pflanzen kannst. Mehr konnte ich nicht für dich tun. In Liebe, Ahmed.”

Gentests per Google?

Deutschlandradio Kultur hatte heute ein längeres Gespräch mit einem Mediziner zu Nutzen und Gefahren von billigen Gentests, wo die Geschäftsidee wohl er ist

einen privaten Gentest mit der Suchmaschine Google zu verbinden, sagte Gassen. Er warnte davor, dass betreffende Unternehmen die Daten an die Pharmaindustrie weitergeben könnten (Genforscher Hans-Günter Gassen)

Das würde die Transparenz von Menschen und die Möglichkeiten der Ãœberwachung neue Wendungen geben, wenn nicht eine neue Dimension. Konsequent zu Ende gedacht, wäre erscheint eine halbwegs verschlüsselte Gesundheitskarte als ein harmloses Kinderspielzeug. Ob es tatsächlich eine “traumhafte Geschäftsidee ist” wie Gassen voller naturwisschenschaftlicher Forscherbegeisterung meint, bleibt abzuwarten. Mein Genom auf dem Internet würde mir so ziemlich jede noch vorhandene Privatspäre nehmen, die mir noch geblieben ist. Zusammen mit anderen Datenbanken, Spuren usw. ist das eine albtraumhafte Vorstellung.

Weiß jemand mehr darüber?

Ãœberwachung am Arbeitsplatz

Microsoft plant offensichtlich eine Software, mit der sich Mitarbeiter am Arbeitsplatz überwachen lassen (Spiegel Online). Es wird wohl demnächst zum Patent angemeldet und beinhaltet eine lückenlose Ãœberwachung der Arbeit – welches bisher nur für Piloten und andere ähnliche Berufsgruppen galt, die einem besonderen Risiko ausgesetzt waren oder riskante Jobs ausfüllten (Times Online).
Wie das ganze funktioniert erklärt Times Online auf ihrer Technologie Seite.

The systems work not only through desktop or laptop computers but even through mobile phones or handheld PCs, meaning that even out of the office the employee can still be monitored. In its most advanced format, the system will monitor users’ private interests

Dazu passt auch diese Meldung, die nicht den Arbeitsplatz, aber wohl britische Schüler betrifft. Es wundert nicht das diese Idee so in Großbritannien umgesetzt werden soll. (Spiegel Online)

Wenn es piept, wird die Tasche durchsucht: Großbritanniens Innenministerin Jacqui Smith will Metalldetektoren ans Schultor stellen. Die Jugendlichen sollen vor allem ihre Messer zu Hause lassen, damit der Schulhof nicht zum Kampfplatz für Jugendgangs wird.

Als wenn eine Gang allein aus Waffen gemacht wird und nicht auch durch Angst und andere Mechanismen, die es zuerst abzuschalten gelte.

Veranstaltung: Vorratsdatenspeicherung

Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) veranstaltet vom 08. bis 10. Februar 2008 in Kassel einen Strategiekongress.

Dort soll sowohl über die Organisationsstruktur des AK Vorrat, als auch über die weiteren Perspektiven und Strategien in der Zusammenarbeit für mehr Demokratie und den Schutz der Bürgerrechte diskutiert, sowie gemeinsame Kampagnen und Projekte geplant werden.

Dazu laden wir Sie bzw. einen Vertreter Ihrer Organisation recht herzlich nach Kassel ein.

Impact of Surveillance and Data Collection

Vergangenes Jahr hat der Verfassungsauschuss des britischen Parlaments Experten gebeten, Stellungnahmen einzureichen über The Impact of Surveillance and Data Collection upon the Privacy of Citizens and their Relationship with the State. Der Bericht ist noch nicht erschienen, dafür sind die eingegangenen knapp vierzig Expertenmeinungen hier veröffentlicht. Unter anderem enthält die Liste den Bericht des Surveillance Studies Network.

Dazu ergänzend die Meldung auf heise.de, wonach Graeme Gerrard von der ACPO bei einer parlamentarischen Anhörung eingeräumt hat, dass Videoüberwachung Gewaltverbrechen und spontan begangene Straftaten nicht verhindern kann und dass die Öffentlichkeit über die Effizienz von CCTV “in die Irre geführt” worden sei. Ergänzend siehe auch die Meldungen hier und hier.

Kameras erzeugen Realität (?)

Das NDR Medienmagazin Zapp hatte bereits in der letzten Woche einen Beitrag zur Rolle von Bildern im Nachrichtengeschäft – das ist so neu nicht. Dennoch, hat mich ein dort angesprochener Aspekt zum Nachdenken gebracht, auch über die Rolle, die Videokameras im öffentlichen (oder auch weniger öffentlichem) Raum in Zukunft auch haben können, nämlich die Produktion von Realität. Ohne die Kamera bilder hätte es wohl keine solche Debatte über Jugendkriminalität und Jugendstrafvollzug gegeben – für die Diskussion über Kameras wird allerdings jeder Vorwand zum Anlass genommen, um sie wieder neu zu beleben.

Videokameras könnten also in zumehmenden Maße bestimmen, was wichtig ist und was “nicht” passiert. Das ist mehr als nur die Ãœberwachung öffentlicher Räume. Kameras werden zum Instrument der Wirklichkeitsproduktion, mit uns als Schauspielern. Und die Politik nutzt sie für alle Arten von Debatten, nur nicht für die eigentlich nötige – um Fragen an das Instrument selbst und seine Wirkmächtigkeit zu stellen. Damit sind Kameras nicht nur Ãœberwachungsinstrument, sondern auch Mittel des Ausschlusses von Diskussionen und letztlich Personen. Wer wahrgenommen werden will, muss sich öffentlich und sichtbar äußern – am besten vor einer der vielen Kameras. Öffentlicher Raum war einmal anders gedacht.

Buch: Nach Feierabend – ein Buch über Daten

Es geht um Daten in diesem Buch, wie sie gesammelt werden, wie aus Fakten Daten werden und umgekehrt. Der Klappentext sagt dazu folgendes:

Die Beiträge zum thematischen Schwerpunkt »Daten« fragen nach den informationstechnologischen Bedingungen der Wissenszirkulation, nach ihrer Form und ihren Implikationen im Alltag. Sie beleuchten verschiedene Aspekte von Wissens- speicherungs- und Distributionstechniken und stellen die damit einhergehenden gesellschaftlichen und technischen Veränderungen in einen historischen Kontext.

David Gugerli, Michael Hagner, Michael Hampe, Barbara Orland, Philipp Sarasin, Jakob Tanner (Hg.) 2007: Nach Feierabend.
Zürcher Jahrbuch für Wissensgeschichte, Bd. 3, Zürich:
diaphanes. 232 Seiten, Broschur,
ISBN 978-3-03734-016-5, € 25,00 / CHF 39,00

Hilflose Rufe nach Kameras und Lerneffekte

Manchmal muss man sich schon wundern – da verteidigt der Berliner Innensenator die Videoüberwachung der BVG, u.a. mit dem Satz:” Wir brauchen diese Ãœberwachung, übrigens auch wegen der terroristischen Bedrohung” und vergisst, dass eine Studie gerade der Berliner U-Bahn Ãœberwachung eher schlechte Noten ausgestellt hat. Aber er sagt auch – und das ist in diesen Tagen die neueste Weisheit – das mehr Personal von Nöten ist. Das ist aber wirklich neu!

Inzwischen ist in fast jeder Kommune die Videoüberwachung zu einem gern installiertem Instrument geworden – aber es geht auch weniger martialisch und in guter Kooperation, wie das Beispiel Villingen-Schwenningen zeigt, wo allerdings auch der Präventionsgedanke, der so noch gar nirgendwo bewiesen worden ist, hervorgehoben wird. Aber immerhin.

Und in Heilbronn sieht man sogar die Probleme differenziert und klärt zu alllererst was Kameras leisten können – nämlich allenfalls die Ãœberwachung eines engen Raumes und nicht weite Gebiete bzw. sich über größere Räume bewegende Täter. Und schließlich bauen die Stadtväter dort sogar wieder ab, wenn das Problem gelöst ist – im Sinne der Videoüberwachung gelöst.

Gleichzeitig wird in München bereits ein weiterer Täter mit Videobildern gesucht. Wer etwas auf diesen Fotos erkennt, hat echt gute Augen oder ein gutes Vorstellungsvermögen – die Bilder sind einfach schlecht und Kapuzen tragen die Täter auch noch. Ich hoffe nicht, das dieses ein Lerneffekt aus dem letzten Ãœberfall ist.