Month: Oktober 2007

ACPO-Bericht zu Videoüberwachung

Die britische Association of Chief Police Officers und das Home Office haben die National CCTV Strategy veröffentlicht. Darin wird der Einsatz von Videoüberwachung anhand von zehn Aspekten (Training, Standardisierung, Einsatz der Aufnahmen als Beweismittel, u.a.) genauer untersucht. Unter anderem kam man zu der Erkenntnis, dass 4 von 5 Kameras keine verwertbaren Aufnahmen zur Identifizierung Verdächtiger liefern. Am Ende sprechen die Verfasser insgesamt 44 Empfehlungen zur Verbesserung von CCTV aus und fordern eine gebündelte “nationale Strategie”.
Und heise.de war mal wieder schneller.

Prantl rezensiert Schaar

Bei DeutschlandRadio Kultur rezensiert Heribert Prantl das neue Buch von Peter Schaar. Lesenswert – die Rezension wie wohl auch das Buch. Allerdings ist Prantl ganz begeistert von der Frosch-Metapher, die auch Schaar benutzt – das heiße Wasser und der Frosch. usw…  Leider ist das Bild falsch und der Frosch verhält sich wohl nicht so.

Was Peter Schaar allerdings ausdrücken will, ist durchaus richtig. Wir werden schleichend mit einer Vielzahl an Maßnahmen an Ãœberwachung und Datenkontrolle gewöhnt, so dass eine Gegenwehr zunächst nicht als nötig erscheint, wir aber an der Gesamtheit der Maßnahmen irgendwann als Gesellschaft ersticken werden. Ãœberwachung ist aber, das sollte dazu gesagt werden, nicht nur auf Daten zu beziehen, sondern wesentlich weitergefasst – der Blick auf Datenschutz allein reicht nicht für eine Analyse. Vielmehr geht es auch um die dahinterstehenden Gesellschaftsbilder, die Mechanismen und Kategorien der Ausgrenzung über die unsere Gesellschaften zunehmend ausgehöhlt werden und Widerstand und die aktive Gestaltung eines Gemeinwesens immer schwieriger werden.

Immerhin hat der Widerstand gegen die Datensammelwut wieder zugenommen und die Aufmerksamkeit sich auch in der Breite leicht erhöht. Das ist doch schon einmal etwas.

Neue Ausgabe von Surveillance & Society/ cfp

Die neuste Ausgabe von Surveillance & Society: Volume 4.4 ‘Surveillance and Criminal Justice’: Part  2 ist online!

Articles
Gavin Smith -  Exploring Relations between Watchers and Watched in Control(led) Systems: Strategies and Tactics 
Craig Paterson  –  ‘Street-level Surveillance’: Human Agency and the Electronic Monitoring of Offenders
Krista Boa  –  Privacy Outside the Castle: Surveillance Technologies and Reasonable Expectations of Privacy in Canadian Judicial Reasoning

Außerdem gibt es einen neuen cfp.

Gender, Sexuality and Surveillance
http://www.surveillance-and-society.org

Deadline: March 31st 2008.

PARCITYPATE – Künstlerische Interventionen und urbaner Raum

Das Symposium “PARCITYPATE – Künstlerische Interventionen und urbaner Raum” könnte auch im Kontext von Ãœberwachung interessant sein.

ParCITYpate eröffnet einen Diskurs über urbane Möglichkeitsräume, Praktiken städtischer Innovationen und neue interdisziplinäre Schnittstellen. Ziel des Symposiums ist es, künstlerische Strategien der Aneignung von urbanem Raum und daraus resultierende Formen der Partizipation und Stadtentwicklung zu untersuchen.

Besonders interessant finde ich eine Diskussion am Samstag (die auf der Webseite irgendwie nicht zu finden ist…. ) von 11.12.30 Uhr, u.a. mit Martina Löw (“Raumsoziologie”) und Edward Soja (“Postmodern Geographies”).  Stargast der Veranstaltung ist Daniel Liebeskind, der  Architekt.

Mannheim: Kameras werden abgebaut

Es passiert selten, aber es passiert: Videokameras im öffentlichen Raum werden abgebaut, weil der Ort nicht mehr als Kriminalitätssschwerpunkt gilt. Die Diskussion, die in Mannheim jetzt allerdings losgeht, offenbart die wahren Gründe für die Begeisterung der Kameras, zumindest bei den Einzelhändlern, die mit dem Element Sicherheit Geschäfte machen wollen.

Die Werbegemeinschaft City findet das “gar nicht gut”, wie Vorsitzender Lutz Pauels beklagt. Generell verstehe er Bedenken gegen eine überzogene staatliche Ãœberwachung. “Aber in der Innenstadt sind die Kameras notwendig und sinnvoll, hier haben sie sich bewährt”, betont Pauels. Die Sicherheit sei ein “enorm wichtiges Argument für den Einzelhandelsstandort”, hebt er hervor. “Stadt und Polizei hatten das bisher gut im Griff, jetzt besteht die Gefahr, dass alles wieder losgeht. Darauf sollte man nicht warten”, fordert Pauels ebenso wie der Bürger- und Gewerbeverein östliche Innenstadt. Beim “MM”-Bürgerbarometer 2002 befürworteten 84 Prozent der Befragten die Kameras.

Sicherheit vor wem ist dann die Frage – vor denen, die nichts kaufen und die anderen Kunden verschrecken, vor den Unliebsamen, den Pennern, Bettlern, Junkies, Jugendlichen, Skatern usw…. oder vor den Ladendieben und Kleinkriminellen, die die Kunden bedrohen. Die Polizei sieht das herzerfrischend pragmatisch und tut was sie gesagt hat: Kein Kriminalitätsschwerpunkt mehr – die Kameras kommen ab! Wie es weitergeht warten wir dann mal ab. Eine Innenstadt aber nur wegen des Einzelhandels zur Sicherheitszone zu erklären, wäre dann doch etwas zu viel des Guten und zum Glück hier nicht so einfach durchsetzbar. Aber auch da wird dem Vorbild England nachgeeifert und es werden so genannte Business Improvement Districts (IHK infosWikipedia-Eintrag, sieht nach IHK aus – Wikipedia engl. ) implementiert. Damit wird aber öffentlicher Raum zunehmend privatisiert und dann bedarf es auch irgendwann nicht mehr der Zustimmung der Polizei, ob Kameras hängen dürfen oder nicht. –>> Zum Phänomen der BIDs hier noch ein kritischer Beitrag von Georg Glasze.

Schön ist natürlich zu sehen, wie andernorts dann gleichzeitig, offenbar ohne Würdigung der Erkenntnisse der Kollegen Videoüberwachung ausgebaut wird – mit dem Zusatz “…. hofft bei der Verbrechensbekämpfung…. ” – das ist doch ganz schön vage für so harte Innenpolitiker.

BVG muss Ergebnisse öffentlich machen

Das die Videokameras in den Berliner U-Bahnen nicht mehr Sicherheit bringen Рdie Meldung geht seit ein paar Wochen um Рnun hat die Humanistische Union die Ver̦ffentlichung des Berichtes zum Kameraprobelauf erstritten.

Das Kameras das Sicherheitsgefühl nicht unbedingt erhöhen war klar. Ob man allerdings die Kriminalitätsrate mit Sicherheit gleichsetzen darf oder gar verwechseln sollte, ist zweifelhaft. Denn Sicherheit ist gerade in Bezug zum öffentlichen Raum eine sehr subjektive Angelegenheit wie unsere Studie gezeigt hat.

Aber dennoch, ein schöner Erfolg. Surveillance Studies gratuliert.

Ãœberwachung und die aktuelle Diskussion

Zwei interessante Beiträge zur aktuellen Diskussion um Online-Überwachung, Freiheit, Sicherheit, Überwachung usw.

Kai Biermann tritt bei Zeit.de mit der These an “Ãœberwachung macht unsicher” und nimmt sich dabei Schäubles  gesammelte Ideen der letzten Monate und die herrschenden Diskurse innerer Sicherheit an mit eben dem Fazit – zuviel Ãœberwachung und Kontrolle zerstört die Gesellschaft und schützt sie nicht (ist nicht so neu, aber gut und auf den Punkt geschrieben)

Oliver Rehlinger hat in der sehr interessanten Rubrik Druck & Blog beim RBB ein schöne Zusammenfassung um den Präventionsstaat gemacht – zum Anhören und lesen, mit lesenswerten Interviews und ein paar Links.

Deutschland = Ãœberwachungsstaat?

Peter Schaars neues Buch “Das Ende der Privatssphäre” erzählt eigentlich nicht viel neues und gehört bestimmt nicht zu den innovativsten Büchern, er aber zu den publikumswirksamsten Autoren, immerhin ist er Deutschlands oberster Datenschützer. Nun war er gestern in Berlin unterwegs um das Buch vorzustellen und das in einer Diskussion mit Wolfgang Schäuble – was eine Show!

Die Süddeutsche hat bereits gestern (print) das Buch zusammen mit dem von Wolfgang Sofsky rezensiert und der Autor Johan Schloemann findet die Angst vor dem drohenden Ãœberwachungsstaat eine typisch deutsche Sache – dabei irrt er allerdings so manches Mal und argumentiert äußerst billig

Schaar möchte “das Bankgeheimnis – wie in unseren südlichen Nachbarländern – unter gesetzlichen Schutz stellen”. Das heißt: Der Bundesbeauftragte fordert den Schutz von Verbrecherkonten nach bewährtem Schweizer Modell.

…. bringt allerdings auch eine Kritik an, die zumindest diskussionwürdig ist:

Zwei anklagende Bücher über Staat und Ãœberwachung; beide haben überwiegend “den Staat” und nicht die datensammelnde Privatwirtschaft im Blick; und beide schaffen es, auf keiner einzigen Seite, mit keinem einzigen Wort in Erwägung zu ziehen, dass “der Staat” und die Bürger vielleicht auch irgendetwas miteinander gemeinsam haben könnten.

Diese Kritik ist nichts neues – nur im Moment gebärdet sich der Staat halt am lautesten und vermeintlich am vehementesten als Ãœberwachungsakteur – die Privatwirtschaft hält sich im Hintergrund und agiert vereinzelt als Stichwortgeber, wie z.B. der Bitkom, wenn er vor Terror warnt und mehr Videoüberwachung fordert.

Leider verengt sich die Diskussion über Ãœberwachung und Kontrolle in Deutschland, wie hier mal wieder deutlich wird, auf die Themen Datenschutz und Privatsphäre, dabei gäbe es so viel mehr Ansätze, die aber in der breiten Politik und auch in den Medien nur selten vorkommen….

E-Dissertationen zu Ãœberwachung

Ãœber den Archivserver der Deutschen Nationalbibliothek sind mittlerweile mehrere elektronische Dissertationen zum Thema Ãœberwachung / Kontrollgesellschaft abrufbar:

Adelmann, Ralf: Visuelle Kulturen der Kontrollgesellschaft: zur Popularisierung digitaler und videografischer Visualisierungen im Fernsehen. Ruhr-Universität Bochum, Universitätsbibliothek, Fakultät für Philologie, 2003.

Breyer, Patrick: Die systematische Aufzeichnung und Vorhaltung von Telekommunikations-Verkehrsdaten für staatliche Zwecke in Deutschland. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, Rechtswissenschaft, 2004.

Ketzer, Christine: Securitas ex Machina. Von der Bedeutung technischer Kontroll- und Überwachungssysteme für Gesellschaft und Pädagogik. Universität zu Köln, Erziehungswissenschaftliche Fakultät, 2006.

Lin, Chen-Yu: Öffentliche Videoüberwachung in den USA, Großbritannien und Deutschland. Fakultät für Sozialwissenschaften, Georg-August-Universität Göttingen, 2006.

Toepffer-Wenzel, Kirsten: E-Watch und Controltainment : Zur Kriminologie der Kontrollkultur. Universität Hamburg, FB Sozialwissenschaften, 2005.