Month: Juli 2007

CCTV: Frankreich eifert England nach

Das ist durchaus mal was Neues – Die Franzosen sind neidisch auf die Engländer und wollen auch so einen tollen überwachten Staat haben wie die, vor allem mit den vielen tollen Kameras. Das kann nur an Zar Cosy liegen, der da jetzt mal so richtig aufräumt und Frankreich fit für die Zukunft macht. Hauptsache ihm fliegen in nächster Zeit nicht wieder Banlieues um die Ohren… aber dann kann er ja ganz toll seine Kameras einsetzen…

Kartographien der Macht

Sind zwar schon ein wenig älter, aber dennoch zeitlos gut – ein paar Blogeinträge von Rainer Rilling zum Thema Kartographie und Macht. In fünf Einträgen skizziert er die Bedeutung von alten und neuen Karten von Mercator bis worldmapper.org.

Dabei widmet er die Einträge den Aspekten Mapping, Staat, Wirtschaft und Countermapping. Der fünfte Eintrag gibt dann einen kleinen Überblick über ein bisschen Literatur. Und da Kartographie ein wesentlicher Bestandteil von Überwachung ist oder auch ihr notwendiger Gegenpart, sind diese Einträge hier ganz interessant und ein guter Beitrag für die Forschung von Überwachung und Kontrolle.

Als Aufsatz gibt es das ganze auch noch. Kartographien der Macht von Rainer Rilling

Puccini und das omnipräsente Auge

133,0.jpg(Foto: gefunden bei dradio.de)

Das soll keine Opernkritik sein, dazu verstehe ich davon zu wenig, aber beeindruckend ist das riesige Auge auf dem Bühnenbild der Tosca-Inszenierung in Bregenz schon. Der Ãœberwachungsstaat, das Thema Ãœberwachung, Beobachtung, verkörpert im überlebensgroßen Auge, hält Einzug in die klassische Musik – oder andersherum: Es zeigt wie alt das Thema eigentlich ist, jenseits von Kameras, biometrischen Pässen und dem Online-Trojaner (auch das ein Rückgriff auf die Geschichten der Antike).

Der Maler Cavaradossi ist ein Augenmensch, die Sängerin Tosca beobachtet, ebenso der Polizeichef Scarpia, der sich in die Primadonna verguckt hat und gleichzeitig seinem blutigen Folterwerk nachgeht.
Deshalb sehen wir, das gab es auch schon auf normalen Bühnen, statt der römischen Kirche San Andrea delle Valle nur ein fünfzig Meter breites und zwanzig Meter hohes Auge der Marchesa Attavanti, die Cavaradossi von einer Hebebühne aus als Magdalena malt. Big Sister schaut zu, doch keiner durchschaut sie, der Überwachungsstaat ist anwesend und doch wird hier Revolte versucht. (Die Welt, 20. Juli 2007, hier auch eine sehr schöne Bildergalerie)

So und ähnlich lesen sich auch andere Kritiken z..B. bei der Zeit, dem ZDF (mit Video) oder dem ORF. Für die Fensehübertragung im österreichischen Fernsehen wurden u.a. auch 7 Ãœberwachungskameras eingesetzt, die die CCTV-Ästhetik des modernen Ãœberwachungsstaates (oder was inzwischen zu dessen Ikone geworden ist) sehr schön umsetzen. Teilweise wurde wohl sogar ein viergeteilter Bildschirm gezeigt – mehr Kontrollraum geht nicht. Und wieder ist das Auge als Sinnbild benutzt worden – und es ist wohl auch eines der stärksten Bilder.

Wer Lust auf ein wenig mehr dazu hat, hier noch zwei Lesetipps:

Thomas Kleinspehn: Der flüchtige Blick. Sehen und Identität in der Kultur der Neuzeit. Hamburg 1989.
Martin Henatsch: Kunst im Spannungsfeld von Sicherheit und Freiheit. In: Nils Zurawski (Hg). Surveillance Studies, Verlag Barbara Budrich, Opladen 2007.

Videoreportage zu Ãœberwachung bei Zeit.de

Stephan und Christoph Hartmann haben für die Zeit Online eine Videoreportage zu Thema Überwachung gedreht. Titel: Die sichere Stadt. Wie tragen Festungsbau und Überwachungskameras zu unserer Sicherheit bei.

Es ist wohl der erste Teil einer Reihe zu dem Thema. Ich bin gespannt… (ja, auch weil ich ebenfalls darin vorkomme.. . ;-) )

Die innere Sicherheit ist bedroht – durch wen?

Ich habe es wohl übersehen, aber bereits zu Monatsbeginn äußerte sich Ludwig Stiegler sehr positiv zur Videoüberwachung. Das ist nicht überraschend – denn auch die SPD will das Instrument zur Terrorismussbekämpfung und gegen die Kriminalität. Wenn man die Äußerungen einmal genau liest, fällt einem vor allem auf, wie ahnungslos und willkürlich hier nach den Kameras gerufen wird. Bei Reuters wird er zitiert, dass die Kameras das Sicherheitsgefühl der Bürger verbessere – woher weiß der Mann das?

Und im Spiegel kommt eines meiner schönsten Beispiele von Ahnungslosigkeit zum Tragen, wenn er sagt: “Videoüberwachung wirke abschreckend und könne bei der Aufklärung helfen”. Ja was denn nun – präventiv, dann gibt es nichts aufzuklären, oder aufklären, dann wenn das Kind bereits im Brunnen liegt. Da auch nicht mehr zwischen Terrorismus und Kriminalität unterschieden wird, nicht zwischen Bahnhöfen und öffentlichen Plätzen, nicht zwischen Menschen und Gebäuden, ist es nicht verwunderlich, dass es hier zu Äußerungen bar jeder Ahnung und empirischer Grundlage kommt.

Wie absurd die Debatte inzwischen geworden ist, in der niemand mehr zu halten ist und nach Schäubles hysteischen Attacken nur noch nachlegen kann, um auch mal was zu sagen, zeigen zwei Artikel bei der Zeit von Kai Biermann – “der Polizist als Hellseher” und “Schäuble 2.0”. Besonders im ersten Artikel wird beleuchtet, wie sich die Ãœberwachung immer mehr über eine Prävention hinaus nach vorn verlagert – Die Kontrolle vor dem Fall, die Simulation von Kontrolle, damit auch ja nicht etwas eintritt, was nur in den Szenarien der Sicherheitspolitiker und anderer existiert. Insgesamt reden alle durcheinander, anscheindend oft ahnunglos und häufig widersprüchlich.

Ach ja – bei dem Reuters-Artikel ist noch interessant, wie sich der BITKOM zur angespannten Lage äußert, nämlich mit der Werbung ihrer intelligenten Videokamerasysteme – ich dachte das Experiment wäre in Mainz gerade vom BKA vorerst zu den Akten gelegt worden, wie auch die Biometrie insgesamt ein wenig fehleranfällig zu sein scheint , siehe auch Biometrische Paranoia des Kollegen Dietmar Kammerer bei der taz.

Was denn noch…?

Manchmal habe ich keine Lust mehr. Der Schäuble langweilt – wenn seine Penetranz, mit der er immer neue Ãœberwachungssäue durchs Dorf treibt, nicht so voller Konsequenzen wäre, die wir noch alle nicht absehen können, könnte man ihn schlicht als paranoid und fanatisch beiseite legen. Aber der Mann ist Innenminister und macht das sicherlich mit einem Plan, wie immer der auch aussehen mag. Nun also die Abhörüberwachung,  akustisch und wohl auch visuell…

Eine grundlegende Forschung zu Sicherheitsdiskursen, den Rhetoriken der Politiker und den technischen Möglichkeiten (inklusive der wirtschaftlichen Verflechtungen) stünde also an. Ist das aktuelle Jahrzent das Jahrzehnt der Ãœberwachung? Werden wir uns auch mal wieder den wirklich wichtigen Dingen zuwenden können oder haben wir das Ende noch gar nicht gesehen? Aktivisten und Forscher aller Länder vereinigt euch – nur brauchen die Sekurokraten uns nicht wirklich. Aber sie nerven, irritieren und mit Hilfe der Juristen ärgern sollte uns auch weiterhin gelingen. Es gibt noch eine Menge zu tun.

Überwachung, Schäuble und die öffentliche Diskussion

Schäubles Äußerungen führen an allen Ecken und Enden zu heftigen Diskussionen. Auf einen Kommentar von Robert Leicht in der Zeit “Zu allem fähig” gab es bis jetzt ca 70 Kommentare, die in sich eine weitere heftige Diskussion wiederspiegeln.

Einer der Kommentare verweist auf einen Artikel von Naomi Wolf im Guardian: “Facsist America in 10 easy steps”.  Die Autorin selbst ist nicht ganz unumstritten (siehe Wikipedia hier und hier für einen Disput mit Camille Paglia), dennoch lohnt es sich mal einen Blick drauf zu werfen, denn es gibt auch einen Schritt, der die Ãœberwachung der Bürger dabei in den Vordergrund stellt.

BKA: Gesichtserkennung im Offenen funktioniert nicht

Automatisierte Gesichtserkennung unter offenen Bedingungen, in Echtzeit und aus Menschenmengen heraus, wird es auch in nächster Zukunft wohl nicht geben. Das jedenfalls sind die Konsequenzen, die die Ergebnisse des Feldversuchs “Foto-Fahndung” nahelegen, der vergangenen Oktober im Mainzer Hauptbahnhof vom BKA durchgeführt wurde. Dessen Ergebnisse wurden jetzt mit einiger Verspätung (geplant war Februar) auf einer Pressekonferenz in Wiesbaden vorgestellt. Detlef Borchers war für heise.de vor Ort. Das schlechte Abschneiden der “intelligenten” Kameras überrascht nicht (siehe auch hier und hier) und scheint vor allem auf die wechselnden Lichtverhältnisse zurückzuführen sein. Jetzt setzt man alle Hoffnungen auf 3D-Technologien, allerdings wird’s dann natürlich heikel mit dem Referenzdatensatz: Ein 3D-Scan sämtlicher Bundesbürger? Oder nur der hier lebenden Ausländer, deren Fingerabdrücke man ja auch schon zentral erfassen darf?