Month: Juni 2007

Salon Surveillance #1

Der Ansatz bietet das gewohnte Bild, klärt auf und versammelt die üblichen Beispiele. Grundsätzliches zur Forschung von Ãœberwachung und Kontrolle wird nicht auf den ersten Blick angerissen, aber ich denke es lohnt sich dennoch. Wer also Lust hat, der sollte dahin gehen, es wird bestimmt interessant … einen Bericht davon würde ich gern hier im Blog veröffentlichen.

Die Initiative “Leipziger Kamera” und das Bildungswerk weiterdenken in
der Heinrich-Böll-Stiftung e.V. laden ein zum “Salon Surveillance #1”:

Titel: Alltag Ãœberwachung

Roman Mischel und Fiete Stegers (freie Journalisten, Dortmund und Hamburg)
Mittwoch, 4. Juli 2007, 19 Uhr
Horns Erben, Arndtstraße 33, 04275 Leipzig

Eine Anmeldung ist nicht erforderlich, der Eintritt ist frei.

Für ihren Film “Alltag Ãœberwachung” (2006) haben die beiden Journalisten einen Querschnitt durch aktuelle Tendenzen zur Ãœberwachungsgesellschaft gezogen: Videoüberwachung, RFID, Vorratsdatenspeicherung. Dabei stellen sie vor allem die Fragen: Warum ist bisher großer Widerstand wie seinerzeit gegen die Volkszählung ausgeblieben? Was bedeutet das Recht auf informationelle Selbstbestimmung heute? Dafür sind sie von Hamburg, über Bielefeld, Brüssel, Leipzig und Berlin gereist, um Innenminister, Datenschutzbeauftragte, Politiker im europäischen Parlament, Polizisten und AktivistInnen gegen Ãœberwachung zu interviewen. Im Salon stellen sie Filmausschnitte vor und wollen einen Anstoß zur weiteren Diskussion geben.

Follow-up: another two perspectives on surveillance

Maybe one should add another two perspectives on surveillance to the 21 proposed already.

  • 22: Corporate/standardizing perspective: Coporate control over markets is achieved by standardizing products, concepts and ideas, going as far as the standardization of genetic codes.
  • 23. auto-perspective: The inititiator of the surveillance practices is the object of any form of control, e.g. voluntary surveillance regimes initiatied by athletes to counter doping accusations.

Both perspectives raise a lot of questions as do the other 21, given that many are overlapping in form, technology, aim etc. But for the fun of it and the sake of scholarly progress, I believe this to be a good form to start a discussion.

Videoüberwachung trotz sinkender Kriminalität… ?

Die Hamburger Polizei ist hocherfreut: Die Kriminalitätsrate sinkt und sinkt auf den niedrigsten Stand seit 1983 – dennoch wollen die Chefs die Videoüberwachung ausbauen  – auch wenn es keine nachgewiesenen Effekte auf diese Entwicklung gibt. Immerhin sinkt die Rate schon länger als es Kameras in einigen Bereichen in Hamburg gibt. Aber davon sind der Polizeipräsident und sein Innensenator ohnehin nicht zu beeindrucken. Sie wollen Videoüberwachung, komme was da wolle. Die tatsächlichen Gründe für diese Leidenschaft sind mir bisher nicht bekannt, von den offiziellen Argumenten einmal abgesehen.

Im Bereich der Straftaten verzeichnete die Polizei für das Jahr 2006 den niedrigsten Stand seit 1983. Im Vergleich zum Vorjahr seien es 8.000 Straftaten weniger gewesen. Delikte wie Straßenraub, Wohnungseinbruch und Diebstahl rund um das Kraftfahrzeug nähmen weiterhin ab, erklärte Jantosch. Außerdem sei die Aufklärungsquote in den vergangenen drei Jahren von 43,7 auf 47 Prozent gestiegen. Im Rahmen der Kriminalitätsbekämpfung plädierte der Polizeipräsident für eine Ausweitung der Videoüberwachung in der Stadt. (Quelle: NDR Online)

21 Perspektiven auf Ãœberwachung

Andreas Albrechtslund hat eine informelle Taxonomie von 21 Perspektiven auf das Thema Surveillance zusammengestellt. Sicherlich ein interessanter Ausgangspunkt für Diskussionen:

  1. The Big Brother perspective
    Surveillance is a scary way for the state to intrude on people’s privacy. Currently, we are on a slippery slope towards a surveillance society.
  2. The control perspective
    Surveillance is a way to practice control over individuals or a group of individuals. Thus, it is a tool to exercise power.
  3. The care perspective
    Surveillance is a way to provide care for individuals, e.g. when parents take care of their children.
  4. The ethical perspective
    Surveillance changes the power and knowledge relations between people and, thus, the space for ethical action is changed.

Neue Ausgabe: Surveillance & Society

Die neueste Ausgabe von Surveillance & Society ist online: Surveillance and Criminal Justice Part 1.

Aus dem Inhalt:

  • Torin Monahan and Tyler Wall: Somatic Surveillance: Corporeal Control through Information Networks
  • Anthony Minnaar: The implementation and impact of crime prevention / crime control open street Closed-Circuit Television surveillance in South African Central Business District
  • William Bloss: Escalating U.S. Police Surveillance after 9/11: an Examination of Causes and Effects
  • Pete Fussey: An interrupted transmission? Processes of CCTV implementation and the impact of human agency
  • Amber Marks: Drug Detection Dogs and the Growth of Olfactory Surveillance: Beyond the Rule of Law?

Noch ein Special: Gefahren aus dem Internet

Tagesschau.de hat ein Special zu Datenschutz, Internet und den darin befindlichen Gefahren zusammengestellt – “Gefahren aus dem Internet” . Ob man so ein Angebot dermaßen kulturpessimistisch betiteln muss, sei dahin gestellt – aber es lohnt sich auch darein zu schauen. Passt auch prima zu dem Aufsatz von Theo Röhle zu Suchmaschienen und Marketing (sie ein paar Einträge weiter unten).

ARTE Themenabend

Heute abend ab 20.40 Uhr läuft auf Arte ein Themenabend mit dem originellen Titel: Wir werden alle überwacht, mit den Kapiteln “Kontrolle total”, “widerstand.com” und “Big Brother City”. Außerdem kann man online an einem Ãœberwachungs-Quiz teilnehmen. Mittlerweile bastelt ja jeder Sender an einem Dossier zur Ãœberwachungsgesellschaft: so die Tagesschau, der ARD: Ratgeber, das ZDF.

Veröffentlichung: Online-Suche und Marketing

„Think of it first as an advertising system“: Personalisierte Online-Suche
als Datenlieferant des Marketings von Theo Röhle bei “Kommunikation und Gesellschaft”. Gerade erschienen und sicherlich für die Surveillance Studies und alle Interessierten lesenswert.

Suchmaschinen gehören seit langem zu den wichtigsten Werbeträgern im Netz und es wird mittlerweile offen zugestanden, dass die gezielte Vermarktung von Werbeplätzen sich zur Kernaufgabe der Suchmaschinenbetreiber entwickelt hat. Um dem Ruf nach relevanteren Suchergebnissen nachkommen zu können, binden neue Formen der personalisierten Suche immer weitere Bereiche des Nutzerverhaltens in den Suchprozess ein, gleichzeitig schaffen die gesammelten Daten aber auch die Grundlage für eine noch engere Verzahnung ökonomischer Interessen mit dem persönlichen Nutzungskontext. Mit Bezug auf aktuelle Theoriebildung aus den „Surveillance studies“ diskutiert der Beitrag die Rolle der personalisierten Suche als Bindeglied zwischen Nutzer und Werbung.

Filmtipp: Zum Tod von Theo van Gogh

“Der Tag, als Theo van Gogh ermordet wurde2 um 22.45 Uhr in der ARD.  Das auch so ein Thema etwas mit Ãœberwachung zu tun hat, überrascht auf den ersten Blick, ergibt aber einen Sinn, wenn  man die Bemerkung in dem Artikel zum Film in der Berliner Zeitung liest:

Mit van Gogh starb der Traum von einem bunten Miteinander, auf den Amsterdam so stolz war. Versagt hat das Konzept, dass ein Mehr an Überwachung auch zu einem Mehr an Sicherheit führt. Der Film legt plausibel nahe, dass der Mord hätte verhindert werden können, wenn der niederländische Geheimdienst nur einigermaßen in der Lage gewesen wäre, seine Informationen über den Mörder und das Netzwerk, zu dem er gehörte, sinnvoll auszuwerten.

Also, das viele Sammeln unserer Daten und  das Ausspähens von uns Bürgern scheint immer noch nicht zu reichen, um präventiv Taten wie den Mord an Theo van Gogh zu verhindern. Was sollen also immer neue Maßnahmen, wenn die es auch die alten nicht bringen…?

Werbung, Konsum und Ãœberwachung

Unter dem Titel “Orwell im Netz” hat die Zeit einen interessanten Artikel zu den Kollateral-Schäden des Online-Marketing veröffentlicht. Allen voran betreibt Google das “geheime” Marketing, wie die Zeit es nennt, mit großem Elan. Das das uns Nutzer durchaus betrifft und nicht nur ein zu vernachlässigender Effekt der schönen neuen Online- und Konsumwelt ist, wird dort sehr schön beschrieben (und ist auch so neu nicht):

Wohin die Sammelwut personenbezogener Daten führt, beschreibt das Internet-Portal Yahoo ganz unverhohlen auf seiner Webseite. An einem Tag generiere Yahoo mit 16 Terabyte weltweit mehr Nutzerdaten als der weltgrößte Einzelhandelskonzern Walmart in einem ganzen Jahr, protzt der Internetdienstleister. Datenspezialisten leiten daraus Verhaltensmuster ab, qualifizieren Benutzergruppen und entwickeln komplexe Modelle für Entscheidungsprozesse vor dem Kauf. Das Ziel: Die Anzeigen soll genau dann eingeblendet werden, wenn die Kaufabsicht feststeht und der Interessent dabei ist, eine Entscheidung für eines der Angebote zu treffen.

Ãœberwachung im Gewahrsam beim G8

Auch wenn alles glimpflich ablief und die Bewertung des ganzen an dieser Stelle einmal anderen überlassen will – was die Unterbringung und Ãœberwachung der Festgenommenen angeht, scheint Konsequenzen zu haben. Zumindest hat der Republikanische Anwältinnen- und Anwaltsverein (RAV) schon mal Strafanzeige wegen Käfighaltung eingereicht.

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(Photo: bei tagesschau.de durch RAV übermittelt)

Das sieht den Bildern aus dem Polizeigewahrsam in Frankfurt verdammt ähnlich – siehe die Einträge zur Ausstellung Gewahrsam. Räume der Ãœberwachung. Diese Käfige haben weniger mit Bentham zu tun, als dass sie der puren Verwahrung und der direkten Kontrolle dienen, wenn auch nur für einen kurzen Zeitraum.

Dazu meint Heribert Prantl in der Süddeutschen Zeitung:

Diese Käfighaltung manifestiert: Das Recht der inneren Sicherheit in Deutschland ist gekennzeichnet vom Verlust der Maßstäbe und von der Veralltäglichung der Maßlosigkeit.

Mehr zum G8-Gipfel auch im Gipfelblog.